Wir basteln uns einen Veloweg

Sind es Luxusprobleme, mit denen wir Velofahrer uns hierzulande herumschlagen? Man könnte zu dieser Meinung gelangen, vergleicht man, was der «Tages-Anzeiger» (TA) heute über das Velofahren in der Grossstadt schreibt und die «NZZ am Sonntag» am 3. April über dasselbe in Guadalajara.

Der TA schildert in seiner heutigen Ausgabe, was sich in Sachen Velo in Zürich verbessert habe, seit die Grünen Daniel Leupi und Ruth Genner die städtischen Departemente führen, welche die Velopolitik bestimmen. Einiges, findet die Redaktion. Nicht genug, findet die Veloorganisation Umverkehr. Das Thema reizt. Zur Stunde sind 78 Leserkommentare zu verzeichnen. Man begiftelt sich mal wieder.

Wohlverstanden: Der Velofahrer findet das Velofahren in der Zürcher Grossstadt kein eitles Vergnügen. Doch nach der Lektüre dieses Artikels in der «NZZ am Sonntag» vom 3. April bescheidet er sich wieder und ärgert sich auch kein bisschen mehr über die überdeutliche Ablehnung zur «Mehr fürs Velo»-Initiative im Kanton Luzern am 13. Februar dieses Jahres. Aus Guadalajara, Mexikos zweitgrösster Stadt, berichtet die NZZ unter dem Titel «Bürger malen Velowege», wie Aktivisten sich…… per Twitter organisieren, um Verkehrspolitik und Gesellschaft zu ändern. Abgebildet ist ein Dreirad, auf welches sich ein solcher wagemutiger Umdenker gelegt hat, um mit der Spraydose den Velostreifen, den die Politik seinesgleichen versagt, selbst auf den Asphalt zu sprühen. Die Sache ist keineswegs spassig, sondern blutiger Ernst. Zitat NZZ: «In Mexikos Strassenverkehr sterben jährlich 17’000 Personen. Das sind mehr Tote als im Drogenkrieg.»
In Mexiko ist das Velo das Fortbewegungsmittel der Armen. Jene, die sich da ihren Velostreifen selbst organisieren, gehörten aber, so die NZZ zu Mexikoy zunehmend selbstbewusstem Bürgertum. Viele von ihnen hätten im Ausland studiert und dort erlebt, dass das Velo nicht nur für arme Schlucker ist. «Doch in Mexiko sehen sie sich mit einer autoritären Politik konfrontiert, die sich vor allem an der reichen Oberschicht orientiert. Den Kampf für Velowege sehen sie darum auch als Kampf für mehr Bürgerbeteiligung. Die Verkehrsdebatte sei nur der Vorwand, sagt einer. Das Thema sei die Demokratisierung Mexikos, die Waffen dazu Facebook und Twitter.»

Die Ungeduldigen und die Rücksichtslosen

Verglichen mit dieser und jener Hauptstrasse in Mexiko sind unsere Autobahnen vermutlich Velowege. Dort wehren sich Bürgerinnen und Bürger dafür, dass sie den Asphalt überhaupt mit-befahren dürfen. Hier drängen eilige Autofahrer jeden Velofahrer an die Bordsteinkante, der ihnen eine Sekunde Lebenszeit stiehlt. Und zementieren aber auch rücksichtlose Radler fortwährend ihren eigenen schlechten Ruf, indem sie Fussgängern um die Ohren fahren und farbenblind jedes Rotlicht missachten. Beides ist ärgerlich.

Demokratisierung – siehe oben – ist bei uns ebenso gefragt. Dazu passen zwei Kommentare zum erwähnten TA-Artikel. Ein gewisser Kaa Bock meint, er habe «ein Problem mit Leuten, die mit dem Auto zur Arbeit müssen. Doch «wären das die einzigen, die mit dem Auto zu Arbeit gehen würden, dann hätte es uhuere viel Platz auf den Strassen!» Und den längst ewig gleichen automobilen Vorwurf, die Velofahrer trügen die Kosten für die Velowege ja gar nicht, pariert derselbe Kaa mit diesen Sätzen: «Ich übernehme die Kosten für die Velowege sehr gerne mit einer Velonummer. Ich zahle auch gerne für die Umweltschäden, die mein Velo anrichtet – und für den Anteil an der Klimaerwärmung. Sind Sie dafür auch bereit, die Schäden zu zahlen, die Ihr Auto anrichtet? Und die Kosten für die Autobahn? Gehen Sie mal nach Italien, da sehe Sie, was eine Autobahn wirklich kostet.»

Genau. Und vielen Dank.

Hier den ewähnten Artikel aus der «NZZ am Sonntag» vom 3. April 2011 herunterladen

Artikelbild: flickr.com, Mojca Koprivnikar

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