Das Velo verursacht nur bescheidene Verkehrskosten

Wer auf der Strasse unterwegs ist, verursacht Kosten. Wer seine vier oder zwei Räder parkiert, braucht Platz, für den jemand aufkommt. Welche Verkehrsteilnehmer tragen welchen Anteil?

Hinweis: Der nachfolgende Beitrag wurde im Februar 2012 auf velofahrer.ch veröffentlicht und jetzt aktualisiert.

Nachgefragt habe ich dazu bei der Pro Velo, beim VCS und beim Bau- und Umweltdepartements meines Wohnkantons Luzern. Jürg Tschopp vom VCS hält fest: «Die Autobahnen und Kantonsstrassen werden grossenteils von den Autofahrenden bezahlt. Bei den Gemeindestrassen ist dies jedoch nicht der Fall. Dort werden auch allgemeine Steuermittel eingesetzt, die von Steuerzahlenden ohne Auto stammen.» (Auskunft von 2012) Das ist «nach wie vor richtig», sagt heute Christoph Merkli, Leiter Infrastruktur und Politik von Pro Velo. Zu aktualisieren ist indessen:

Nationalstrassen

Mit dem neuen Netzbeschluss gingen gingen 2020 rund 400 Kilometer Strassen zusätzlich an den Bund über; hier verkehren ebenfalls Velos. Zudem baut und unterhält der Bund die Anschlussbauwerke zu den Nationalstrassen. Auch hier verkehren (oft) Velos. Die Finanzen für Bau und Unterhalt stammen aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF), der zu praktisch 100 Prozent aus Mineralöl- und Autosteuern geäufnet wird.

Kantonsstrassen

Die Finanzierung ist von Kanton zu Kanton unterschiedlich. Dazu hat Pro Velo keine Übersicht. Merkli hält aber fest: Sofern der Bau bzw. die Sanierung von Kantonsstrassen Teil eines Agglomerationsverkehrsprogramms sind, fliessen dort ebenfalls (via NAF) Bundesgelder ein.

Das Bau- und Umweltdepartement des Kantons Luzern schreibt dazu auf Anfrage:

Gemäss Strassengesetz sind Radverkehrsanlagen wie Radstreifen oder Rad- und Gehwege Bestandteile einer Strasse. Kantonsstrassen werden aus zweckgebundenen Mitteln finanziert, also nicht aus Steuergeldern.

Diese Mittel sind laut Website Einnahmen aus der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA), der Mineralölsteuer und aus den Strassenverkehrsabgaben. Mit diesen sind nur die Motorfahrzeugsteuern gemeint.

Gemeindestrassen

Die Gemeindestrassen werden in der Regel von den Gemeinden aus Steuergeldern finanziert. Das gilt auch für Bauten wie die geplante Velostation an der Bahnhofstrasse in Luzern. Die Stimmberechtigten der Stadt entscheiden am 13. Februar 2022 über den Kredit dafür: 17,8 Mio. Franken.

Sofern der Bau bzw. die Sanierung einer Gemeindestrassen Teil eines Agglomerationsverkehrsprogramms sind, fliessen dort ebenfalls (via NAF) Bundesgelder und evtl. Kantonsgelder ein, fügt Pro Velo an.

Verkehrsteilnehmer nicht gegeneinander ausspielen

Aha. Als Steuerzahler komme ich also durchaus auf für die Velowege und -verbindungen, die ich benütze. Kommt hinzu, dass diese ungleich viel weniger kosten und viel weniger Fläche benötigen als Autobahnen.

Grundsätzlich gilt ferner: «Velofahrende, ob sie nun (auch) Autofahrer oder sind oder nicht, bezahlen mit ihren Steuern auch die Autoinfrastruktur mit», sagte Marianne Fässler, Projektleiterin und stellvertretende Geschäftsführerin von Pro Velo. Fast jeder Velofahrer sei auch Autofahrer, «das heisst, unsere Gesellschaft ist multimobil und es kann nicht eine Benutzergruppe der Strasse gegen die andere ausgespielt werden.»

Verursacherprinzip anwenden

Eine weitere Forderung: Das Verursacherprinzip konsequent anwenden. So besehen, schneidet der motorisierte Verkehr ohnehin schlecht ab. Denn: Er bezahlt zwar einen grossen Teil der Strassen, auf denen er fährt, durch Steuern und Abgaben. Die Umwelt- und Unfallkosten, die er verursacht, decken diese Mittel aber nicht. Die aktuellste Kosten-Nutzen-Studie Verkehr des Bundes von 2018 fasst dazu zusammen: «Im Jahr 2018 betrugen die externen Kosten der Mobilität in der Schweiz rund 13.7 Milliarden Franken und wurden insbesondere durch Luftverschmutzung, Lärm, CO2-Ausstoss und Unfälle verursacht. Ein Grossteil der externen Kosten entsteht durch den privaten motorisierten Strassenverkehr. Externe Nutzen der Mobilität, die durch das zu Fuss gehen und Velo fahren entstehen, werden ebenfalls ausgewiesen. Diese Aktivitäten generieren, neben dem persönlichen Nutzen für die zu Fussgehenden und Velofahrenden selber, einen beträchtlichen Gesundheitsnutzen für die Allgemeinheit. 2018 übertrifft dieser die externen Kosten bei den zu Fussgehenden um 484 Millionen Franken. Würden sie für den Nutzen entschädigt, den sie der Allgemeinheit stiften, gäbe dies einen Anreiz, häufiger und damit in einem volkswirtschaftlich optimalen Ausmass zu Fuss zu gehen.»

Im Interesse der Gesellschaft

Die Forderung, Velofahrende über eine spezifische Abgabe zur Kasse zu bitten, wird immer wieder gestellt. Christoph Merkli von Pro Velo hält sie aus zwei Gründen für nicht gerechtfertigt (Zitat):

  1. Veloinfrastrukturen sind nötig, um den Veloverkehr vor dem schnelleren Motorfahrzeugverkehr zu schützen. Ähnlich wie die Kausalhaftung bei den Motorfahrzeugen besteht hier ein kausaler Zusammenhang zwischen Gefährdung und Kostenübernahme für Schutzmassnahmen.
  2. Dass Velofahrende nicht an Kantons- und Nationalstrassen zahlen, ist ein politischer Entscheid, der sich damit rechtfertigen lässt, dass die Gesellschaft ein Interesse daran hat, dass möglichst viele Menschen ihre Wege mit dem Velo zurücklegen.

Alles klar?

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