«Die Kapazitätsgrenze ist erreicht», stellt der Luzerner Stadtrat mit Blick auf den Verkehr fest. Die Stadt könne nicht mehr zuverlässig erreicht werden. Stadträtin Ursula Stämmer doppelt nach: «Verkehr ist das grösste ungelöste Problem in der Stadt Luzern.» Dagegen will die Stadt etwas unternehmen – vorerst mit einer Menge Papier, sichtbar im besten Fall ab 2015. Bis dahin schlängelt sich der Velofahrer zwischen den stehenden Kolonnen durch, zieht den Kopf ein und hofft, dass ihn keine(r) über den Haufen fährt.
«Gesamtverkehrskonzept Agglomerationszentrum Luzern» heisst die Ideensammlung, die der Stadtrat bis in zwei Jahren dem Parlement vorlegen will. Grund: Der Gesamtverkehr werde «trotz bestmöglicher Abstimmung von Siedlungs- und Verkehrsentwicklung weiter zunehmen», stellt er in seinem soeben veröffentlichten Bericht an den Grossen Stadtrat fest. Bis 2030 werde der motorisierte Individualverkehr um 30 Prozent und der öffentliche Verkehr um 50 bis 60 Prozent zunehmen, heisst es darin. Bis der Tiefbahnhof und der Strassen-Bypass (vielleicht) gebaut sind – frühestens 2030 -, kann die Stadt aber nicht warten. Der Stadtrat will deshalb den Mehrverkehr «mit dem öffentlichen Verkehr sowie dem Fuss- und Veloverkehr» abdecken.
Diese Wege könnten idealerweise zu Fuss oder mit dem Velo zurückgelegt werden, was die Strassen massiv entlasten würde.[/aside] Dazu ist er auch verpflichtet: Das Gesamtverkehrskonzept (das Parlament muss die 600’000 Franken dafür erst noch bewilligen) ist eine Folge des Gegenvorschlags zur Städteinitiative, welche die Stimmbürgerinnen und -bürger am 26. September 2010 an der Urne gutgeheissen haben. Darin heisst es: «Die Stadt sorgt für ein sicheres, attraktives Fussweg- und Veloroutennetz. Der öffentliche Verkehr wird im Strassenraum konsequent priorisiert.» Stadträtin Ursula Stämmer wies gegenüber den Medien darauf hin, dass 12 Prozent aller Auto- und 20 Prozent aller Busfahren höchstens 1 Kilometer lang, 34 Prozent aller Auto- sowie 60 Prozent aller Busfahrten höchsten 3 Kilometer seien. «Diese Wege könnten idealerweise zu Fuss oder mit dem Velo zurückgelegt werden, was die Strassen massiv entlasten würde.» (Zitat aus der «Neuen Luzerner Zeitung» vom 4. Mai 2012)
«Es braucht einen grundlegenden Sinneswandel»
Allein diese Aussage genügt, um das beliebte bürgerliche Argument zu widerlegen, Luzern sei aufgrund seiner mitunter steilen Strassen nicht zur Velostadt bestimmt. Roland Chrétien, Geschäftsführer Pro Velo beider Basel, fasst in einem Beitrag in der «TagesWoche» in vier Sätzen zusammen, was für das Velo in der Stadt spricht: «Das Velo ist schnell, flink, effizient. Es braucht wenig Platz, ist günstig und lässt die Luft, wie sie ist. Die Fahrerin oder den Fahrer hält es fit und macht es wach. Mal abgesehen davon, dass man auf dem Velo nicht Zeitung lesen kann, ist es das ideale städtische Verkehrsmittel.» Will Luzern den Gegenvorschlag zur Städteinitiative tasächliche umsetzen, braucht die Stadt (bzw. brauchen ihre Politiker) nicht in erster Linie Geld, sondern «vor allem eines: einen grundlegenden Sinneswandel. Der Platz auf den Strassen gehört den sich bewegenden Menschen, nicht den Autos», um nochmals Roland Chrétien zu zitieren. Wobei: Mittel sind natürlich ebenfalls vonnöten: Um überall ausserhalb der Tempo-30-Quartierstrassen breite Velostreifen und Velowege anzulegen, um tiefere Tempolimiten durchzusetzen, um durchgängige Baustellen- und Lichtsignalanlagen einzurichten, die vorrangig Velos durchlassen. Es braucht auch überall vor Diebstahl, Vandalismus und Wetter schützende Abstellanlagen.
Andere Schweizer Städte halten sich an das Vorbild Kopenhagen, wo mittlerweile für Velofahrerinnen und Velofahrer Schnellstrassen angelegt werden. In der dänischen Hauptstadt ist seit April die 17.5 Kilometer lange «Albertslandrouten» in Betrieb, die erste von 26 Velo-«Autobahnen» in und um Kopenhagen. Gemäss «Tages-Anzeiger» sind vergleichbare Verbindungen in Zürich und Winterthur ein Thema.
[blue_button href=“http://server7.hostpoint.ch/~velofahr/velofahrer.ch/wp-content/uploads/2012/05/120508_stadtrat_lu_gesamtverkehrskonzept.pdf“]Stadträtlicher Bericht «Gesamtverkehrskonzept Agglomerationszentrum Luzern»[/blue_button]Bilder zu diesem Artikel aus dem «Tages-Anzeiger» online vom 7. Mai 2012.