Die Griechen treten wieder in die Pedale

Dieser Artikel, in der gestrigen «NZZ am Sonntag» veröffentlicht, ist aus velophiler Sicht mal wieder eine gute Meldung aus der krisengeschüttelten Wiege des Abendlands. Unter dem Titel «Die…

Dieser Artikel, in der gestrigen «NZZ am Sonntag» veröffentlicht, ist aus velophiler Sicht mal wieder eine gute Meldung aus der krisengeschüttelten Wiege des Abendlands. Unter dem Titel «Die Griechen steigen aufs Velo um» schreibt Korrespondent Panagis Galiatsatos aus Athen über den Umstand, wie die schwere Wirtschaftskrise in Griechenland zu einem Boom in der Fahrradbranche führt und wie hohe Benzinpreise und teure Busbillette für einen Viertel mehr verkaufte Velos sorgen. Nun, wenngleich mehr aus Not denn aus Überzeugung: Gegen mehr Velofahrende auf der Strasse ist in keinem Fall etwas einzuwenden.

Der Velofahrer gibt den Text an dieser Stelle 1:1 wieder.

Griechenland erlebt die Wiederauferstehung des Velos. Die Fahrradfahrer, die noch vor einiger Zeit eine eher seltene Erscheinung in Athens Strassen waren, prägen in immer grösserer Zahl das Verkehrsbild. Und die Fahrradbranche boomt geradezu. Für das erste Halbjahr 2012 meldete sie beim Absatz von Velos einen Zuwachs von 25 Prozent. Diese Entwicklung ist zum Teil auch eine Modeerscheinung, die sich jedoch durch die Wirtschaftskrise und die damit verbundenen Einkommensverluste enorm ausgebreitet hat.

Erstmals richtig in Mode kam das Velofahren bereits vor einigen Jahren, zunächst als Hobby der gehobenen Mittelschicht, die zuerst das Mountainbike für den Wochenendausflug entdeckte und später das Velo auch in der Stadt als praktisches Verkehrsmittel nutzte. So versammeln sich im Rahmen des sogenannten Freeday jeden Freitagabend jeweils Hunderte von Fahrradfahrern unter der Akropolis und fahren ab 22 Uhr dann alle zusammen eine auf der Internetplattform Facebook angekündigte Route durch die Stadt ab. Vor der Krise diente die Veranstaltung vor allem dem Zeigen der eigenen – meist teuren – Ausrüstung. Allerdings errang schon 2010 eine Partei der Velofahrer bei den Kommunalwahlen 7 Prozent der Stimmen.

230 Euro für ein Velo

Inzwischen benutzen immer mehr Menschen das Velo für die tägliche Fahrt zur Arbeit. Vor allem in Athen mit seinen Hügeln, Steigungen und dem chaotischen Autoverkehr ist dies keine leichte Übung. Seit Beginn der Krise aber sind die Benzinpreise, die Fahrzeugsteuern und die Kosten für die städtischen Massenverkehrsmittel um mindestens 40 Prozent gestiegen. Gleichzeitig verloren die Griechen im Durchschnitt 25 Prozent ihres Einkommens. 2011 wurden 250 000 Autos abgemeldet. Genauso viele neue Fahrräder wurden laut statistischem Amt im letzten Jahr abgesetzt. Es sind nicht teure Velos: Im Durchschnitt geben die Griechen 230 Euro für ein Fahrrad aus.

In vielen Quartieren der Stadt haben sich wieder Velowerkstätten etabliert, die Zubehör verkaufen und Reparaturen übernehmen. Mit Hilfe der Mittel eines EU-Programms haben viele Gemeinden Fahrradwege angelegt.

Die gestiegene Nachfrage nach dem Velo als Verkehrsmittel hat auch die einheimische Fahrradindustrie positiv überrascht, sie muss sich aber noch auf die neue Nachfrage umstellen. Bezeichnend dafür ist, dass der Vorzeigebetrieb «Ideal» aus Patras immer noch den Grossteil seiner Produktion auf den Export in die EU ausrichtet.

Artikelbild: User Natascha/* auf flickr.com

Velofahrer in Athen. (Bild: NZZ am Sonntag / Yorgos Karahalis / Reuters)
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