Vom Blindflug auf vier Rädern

Das Projekt «Spange Nord» ist eine neue städtische Hauptverkehrsache in Luzern. (Plan: Kanton Luzern)
Das Projekt «Spange Nord» ist eine neue städtische Hauptverkehrsache in Luzern. (Plan: Kanton Luzern)

In diesem Blog geht es um «Das Leben auf zwei Rädern». Um jenes auf und mit dem Velo. Dieser Tage hat der Velofahrer freilich den Eindruck, das Leben spiele sich vor allem auf vier Rädern ab, vieren mit einem Motor zwischen den vorderen beiden. Am 31. Januar haben das Bundesamt für Strassen und die Luzerner Regierung über das Gesamtsystem Bypass und die dazu gehörende «Spange Nord» informiert. Mit diesem Strassenbauprojekt soll die Stadt Luzern vom Verkehr entlastet werden. Die Medienmitteilung des Kantons dazu enthält einen bemerkenswerten Satz: «Der Bypass Luzern sichert nicht nur langfristig die Leistungsfähigkeit des Nationalstrassennetzes im Raum Luzern, sondern ermöglicht auch eine Lösung der Gesamtverkehrsprobleme der Agglomeration und Stadt Luzern.» Gut so. Ab 2033 – gemäss heutiger Planung, ich bin dann 70 – werde ich mich also als Velofahrer sicher durch die Stadt und Agglomeration bewegen können. Denn ich bin ebenfalls Teil des «Gesamtverkehrs», wenngleich nicht des «-problems». Wie mancher der 1.7 Milliarden Franken (Quelle: «Neue Luzerner Zeitung»), die für das Bauwerk vorgesehen sind, in sichere Veloverbindungen fliessen werden, weiss ich nicht. Die Ausgaben für die beiden Mobilitätsformen dürften freilich in einem unausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Darauf deutet zumindest hin, dass die «flankierenden Massnahmen», unter denen der Langsamverkehr gemeinhin abgehandelt wird, erst im zweitletzten Abschnitt besagter Medienmitteilung erwähnt werden.

Die zweite Feststellung: In der heutigen «NZZ am Sonntag» stellt TCS-Präsident Peter Goetschi fest, die Bahn werde einseitig gegenüber der Strasse bevorteilt. «Und dies, obwohl auf den Autobahnen dreimal so viel Verkehrsleistung erbracht wird.» Götschi beklagt, wir stiessen «auch auf den Strassen zunehmend an Kapazitätsgrenzen», und darum bräuchten wir «nun dringend einen Kapazitätsausbau bei den Nationalstrassen».

Blinder Wachstumsglaube

Blinder Wachstumsglaube. Unsere Städte und Dörfer ertrinken im Verkehr. Ich habe keine Lösung dafür. Ich kann bloss meine eigene Mobilität so vernünftig organisieren wie möglich. Ich pendle täglich eine halbe Stunde hin und zurück mit der S-Bahn, ich lege diese Strecke viel mit dem Velo zurück, ich kaufe zu Fuss und mit dem Velo ein und ich fliege nie. Dass Grossprojekte wie der «Bypass Luzern» von offizieller Seite vorgestellt werden, ohne andere Wege auch nur zu erwähnen, die gegen den Verkehrsinfarkt eingesetzt werden könnten, ärgert mich ebenso wie es mich ratlos hinterlässt. Es wird betoniert und durchlöchert und die Erwartung geschürt, daraus ergebe sich Entlastung, wohl wissend, dass neue Strassen noch immer das Gegenteil bewirkt haben. Symptome mit den gleichen Mitteln zu bekämpfen, die sie verursacht haben, ist perspektivenlos. Stichworte wie Road Pricing, das Besteuern von Energie statt der Arbeit, die Streichung von Kilometerabzügen in der Steuererklärung – derlei Möglichkeiten bleiben unerwähnt. Ich frage: Wie werden unsere Kinder und Grosskinder das Verkehrsproblem lösen (zu lösen versuchen), das wir ihnen hinterlassen?

Der grüne Kantonsrat Michael Töngi bringt in einem Leserkommentar auf der Online-Zeitung «zentral+» auf den Punkt, was von alledem zu halten ist: «Machen wir uns (…) nichts vor: Es geht um eine gigantische Ausweitung der Autokapazitäten im Raum Luzern, für ein neues Velobrüggli über die Reuss zwischen dem Friedental und der Fluhmühle, wie es uns schmackhaft gemacht wurde, bräuchte es sicher keine 150 Millionen teure Nordspange. Der Kanton hat bisher keinen Tatbeweis erbracht, dass er neue Strassenprojekte mit griffigen Massnahmen begleitet – im Rontal sind die meisten Massnahmen noch nicht realisiert. In Kriens wartet man noch immer auf eine echte Busbevorzugung. Tempo 30 auf Kantonsstrassen wird auch bei engen dörflichen Verhältnissen nicht einmal geprüft.
Statt am Schluss zwei Milliarden Franken für diese Grossprojekte einzusetzen, sollten endlich Massnahmen für eine umweltschonende Mobilität priorisiert werden.»

Dem ist nichts beizufügen.

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