Velowege und die Pflicht, sie auch zu benutzen

131121_radweg_fertigHierzulande wird über Velowege gestritten, die der Kanton längst hätte bauen müssen, für die er aber kein Geld hat. Andernorts, in Deutschland vorab, gibt es Verkehrsfachleute und Politiker, welche die Benutzungspflicht von Radwege aufheben und ebendiese am liebsten abschaffen würden. Ein Widerspruch? Scheinbar. Aber nur auf den ersten Blick. Doch der Reihe nach.

Über die Gründe, welche für die Aufhebung der Radwege-Benutzungspflicht sprechen, ist viel auf der Website von Bernd Sluka zu finden. Sluka lebt in Passau und ist Vorsitzender des Landesverbands Bayern des Verkehrsclubs Deutschland. Hier ist zu lesen, dass, Zitat, «innerörtliche Radwege selbst an den Straßen, wo sie aufgrund der hohen Verkehrsdichte als notwendig angesehen werden, die Unfallgefahr erheblich erhöhen». Gefahren auf Radwegen seien zum Beispiel abbiegende bzw. aus Einmündungen oder Ausfahrten herausfahrende Autos und Lastwagen, unaufmerksame Fussgänger, Hunde und deren Leinen, Radfahrer, die in der falschen Fahrtrichtung fahren, Unebenheiten aller Art, die die Gefahr schwerer Stürze in sich bergen, Glassplitter, Abfall und andere scharfkantige Gegenstände, die zu Reifenpannen führen können, Hindernisse wie Reklametafeln, Verkehrsschilder, parkende Autos oder mangelhaft gesicherte Baustellen.

In der Baugrube gelandet

Ich kann dies aus eigener Erfahrung bestätigen. Vergangenen Sommer, an der Weser unterwegs, konnte ich den Zusammenstoss mit einem Auto nur mittels Vollbremsung (von mir und der Autofahrerin) vermeiden. Der Veloweg, auf dem ich in Ferienlaune unterwegs war, kreuzte an dieser Stelle ein Strässchen. Die Autos, die darauf fuhren, hatte ich wegen Gebüschs nicht kommen sehen. Das zweite Beispiel: Vor wenigen Jahren landete ein Freund, nachts auf einem von der Strasse baulich abgetrennten Veloweg unterwegs, kopfüber in einer Baugrube, weil, siehe oben, das Hindernis nicht beleuchtet war.

Grundsätzlich gilt: Velofahrer sind, insbesondere dann, wenn sie gemeinsam mit Motorfahrzeugen auf der Fahrbahn fahren, Verkehrsteilnehmer mit gleichen Rechten, aber auch gleichen Pflichten. Halten sich alle daran, führt dies zu einem friedlichen Nebeneinander auf derselben Verkehrsfläche und es braucht keine Radwege, schon gar keine baulich abgetrennten.

Was freilich grosse Rücksichtnahme bedingt, vor allem vom Auto- und Lastwagenverkehr. In der Stadt und Agglomeration kann ich mir vorstellen, diese Rücksichtnahme quasi zu erzwingen – hier rollt der Verkehr ohnehin langsam(er) und bringt Tempo 30 die Gleichberechtigung eigentlich mit sich. Überland hingegen, wo ich viel unterwegs bin, ist die die Wirklichkeit eine andere. Hier fühle ich mich oft selbst auf den gelb markierten Radstreifen zur Seite gedrängt, hier bin ich froh um breite, baulich abgetrennte Radwege. Sie erhöhen zumindest meine subjektive Sicherheit. Wie die (verkehrs-)politische Diskussion in dieser Hinsicht in Deutschland verläuft, weiss ich nicht, vielleicht kann jemand dazu kommentieren.

Ob Stadt, Agglo oder Land: Es bleibt dabei, dass es Radstreifen und -wege eigentlich nur deshalb braucht, damit der motorisierte Verkehr ungehindert rollen kann. (Über die Frage, wer eigentliche Velowege braucht, habe ich mich letzthin bereits ausgelassen.) Das Grundübel ist nicht der Verkehr an sich. Es sind das Zuviel davon, die fehlende Einsicht dafür und der ausbleibende Verzicht.

«Radwege» müssen auch in der Schweiz benutzt werden

Was übrigens die Situation in der Schweiz betrifft, lässt sich folgendes sagen (danke für die Auskunft an den VCS):

In Artikel 46, Absatz 1 des Strassenverkehrsgesetzes heisst es: «Radfahrer müssen die Radwege und -streifen benützen.» Dies bedeutet also, dass bei uns ebenso wie in Deutschland eine Pflicht besteht, auf vorhandene Velowege auszuweichen. Diese Pflicht besteht gemäss Bundesrat allerdings nur dann, wenn der Veloweg mit dem Signal «Radweg» gekennzeichnet ist. Ein von der Strasse abgetrennter Weg mit der Signalisation «Fussweg – Radfahrer gestattet» verpflichtet die Velofahrenden indes nicht, die Strasse zu verlassen.

Der grünliberale Zürcher Nationalrat Thomas Maier hat den Bundesrat im Frühling 2013 in einer Interpellation angefragt, ob er sich vorstellen könne, Rennvelos von dieser Pflicht zu befreien. Seine Begründung: Rennvelofahrende seien schnell unterwegs und kämen auf Radwegen schnell anderen Velofahrenden in die Quere. Der Bundesrat wollte davon jedoch nichts wissen. Seiner Ansicht nach sollten alle Velofahrenden gleich behandelt werden. (Link zu Thomas Maiers Interpellation samt Antwort des Bundesrats)

In der «Basler Zeitung» kommentierte dazu der Geschäftsführer von Pro Velo beider Basel: «Wir sind der Meinung, dass die Radwegbenutzungspflicht, wo immer möglich, aufgehoben werden sollte. Die Leute wissen selbst am besten, wo sie schnell und sicher durchfahren können.» Vor allem bei Strecken, die von vielen Fussgängern und Velofahrern gleichzeitig frequentiert würden, mache es Sinn, wenn Velofahrende nicht gezwungen werden, auf dem Radweg zu fahren. «Eine sture Be­nutzungspflicht ist nicht sinnvoll», sagte Chrétien. Ein anderes Thema seien Ausserortsstrecken. «Wenn man einen Radweg neben der Strasse hat, wo wenig Fussgänger verkehren, dann macht die Benutzungspflicht des Radwegs schon Sinn», erklärt Chrétien.

Ich teile diese Meinung. Welches ist Eure?

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Grusskartenvorlage für Autofahrer aus der Aktion «Radwege zu Parkplätzen» in Deutschland.
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2 Kommentare

Radwege sind ja schon eine feine Sache, wenn man sie ernst nimmt. Und erst nehemen heisst auch, dass die Velowege wirklich zum Velofahren da sind und nicht als Schneedepot, Spazierweg, oder Parkplatz, usw. benutzt werden – so wie ganz normale Strassen halt. Leider sieht die Realität anders aus, und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich das demnächst ändern soll. Darum schreibe ich nicht zum ersten mal: Veloweg weg?

Ich bin klar gegen die Benutzungspflicht, da ich schnell von A nach B fahren will und kein zusätzliches Fitnessprogramm zu absolvieren gedenke. Autofahrende müssen schliesslich auch nicht aussteigen und ihren Göppel ein paar Dutzend Meter weit stossen zum Erhalt ihrer Gesundheit. Insbesondere ist der Misch- oder Beinahemischverkehr einfach nur gefährlich für alle und bremst Velofahrende aus. Krass ist, wenn dafür die Autos daneben womöglich 2spurig Tempo 50 fahren können und sich Gehende und Velofahrende in beide Richtungen einen deutlich zu schmalen Gehsteig teilen müssen, z.B. vom See her auf die Falkenstrasse in Zürich. Meist auf Strassen, die auch ich mit meinem Steuergeld mitfanziert habe. Gaats eigetli na?
Weshalb werden mir auf dem Velo knappe 50cm zugestanden auf dem Mischgehsteig, Autofahrenden jedoch mindestes 3m oder 6m?

Oder die Veloschikane wie an der Kreuzung an der neuen Börse in Zürich. Wenn ich vom Hallenbad her komme und links abbiegen möchte in die Selnaustrasse, müsste ich, um das legal zu machen sage und schreibe 3 Strassen überqueren und einen Zebrastreifen zu Fuss begehen, obwohl es eine Linksabbiegespur existiert und eine, die geradeaus geht….

Auf der Strasse fühle ich mich tendenziell sicherer als zwischen Gehenden, die manchmal absolut unberechenbar auf die Seite treten und mir womöglich gleich vors Rad, obwohl ich vor mich hinpfeiffe.
Zudem, wenn ich einen 20er bis 30er drauf habe ist der Geschwindigkeitsunterschied zwischen Gehenden (5kmh) und mir deutlich grösser als zwischen mir und Autos in einer Tempo 50-Zone.
Und wenn ich etwas lese wie http://www.derbund.ch/bern/kanton/Die-stillen-Feinde-der-Velofahrer-/story/25171332 neige ich zu Schreikrämpfen :-/

Mischzonen sind ok für „Genussfahrende“, die zufrieden im einstelligen kmh-Bereich vor sich hinzockeln, aber für alle anderen ist es eine Zumutung.
Bezeichnenderweise gibt es ja nicht mal eine verbindlichen Regelung, wie breit ein Gehsteig sein muss, wenn sich darauf 2 Richtungen Personen plus 2 Richtungen Velos bewegen, obwohl sonst alles normiert und durchreguliert ist.
Bei den normalen Gehsteigen für Personen braucht es mind. 1.5m Platz. Wenn da aber noch 2 Velorichtungen sich drauf bewegen sollen, müsste der Bereich mindestens 5m breit sein, wenn die Bodenmarkierung fehlt, alles andere ist eine Zumutung.
Eine Geschwindigkeitsanpassung ist dort ok, wo es daneben keine Strasse gibt und ich das Privileg habe, mit dem Velo durchfahren zu dürfen.

Und wie Velo Pflock schreibt, dienen die Velowege allzuoft als Abstellfläche für alles Mögliche wie Verkehrstafeln, Schnee, Laub, Container, Autos, Lastwagen, Baumaterial etc.
Wenn ich zur Erwerbsarbeit fahre, fahre ich üblicherweise an einem Bussenpotential von gegen 1000.- pro Weg vorbei. Und das ist ja nur eine Momentaufnahme…
Diese Art der Velospurnutzung drückt die Stellung der Velofahrenden recht deutlich aus.

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