Seit November ist der Kanton Luzern mit Nationalrat Roland Fischer (GLP, Udligenswil) im Vorstand von Pro Velo Schweiz vertreten. Pro Velo Schweiz ist der nationale Dachverband der lokalen und regionalen Verbände für die Interessen der Velofahrenden in der Schweiz. Dem Dachverband sind 40 Regionalverbände mit über 31’000 Einzelmitgliedern angeschlossen – darunter, natürlich, auch der Kanton Luzern. Der Velofahrer hat Roland Fischer, 48, einige Fragen gestellt.
Was motiviert Sie, sich für die Pro Velo in deren Vorstand zu engagieren?
Als begeisterter Velofahrer und Grünliberaler ist es mir ein grosses Anliegen, mich für das Velo zu engagieren. Als Nationalrat ermögliche ich dabei für Pro Velo eine zusätzliche Verbindung ins Parlament. Ausserdem möchte ich aktiv zu einer guten Führung und Positionierung und somit zum Erfolg des Verbandes beitragen.
Wie sind Sie selbst mobil?
Das Velo benutze ich im Alltag für den Weg zur nächsten Bushaltestelle oder nach Luzern. In der Freizeit und in den Ferien bin ich ausserdem sehr oft mit dem Mountain-Bike und dem Rennrad unterwegs. Den grösste Teil meiner Arbeitswege lege ich jedoch mit dem öV zurück. Das Auto kommt für den wöchentlichen Einkauf und gelegentlich in der Freizeit und in den Ferien zum Einsatz.
Luzern als Velostadt: Wie viele Punkte geben Sie ihr auf einer Skala von 1 bis 10?
Luzern gebe ich die Note 7. Positiv ist, dass die Stadt in den letzten Jahren einiges für den Veloverkehr getan hat. Es besteht jedoch nach wie Potenzial für Verbesserungen. So sind die Verhältnisse auf den Strassen vielerorts eng oder die Verkehrsführung ist für Velofahrer nicht optimal, was zahlreiche Menschen vom Velofahren abhält.
Was liesse sich verbessern, was muss Wunschdenken bleiben?
Verbessern liesse sich sicher die Situation auf der Strecke Schweizerhofquai– Seebrücke–Bahnhofplatz. Die engen Platzverhältnisse sind für Velofahrer eine grosse Herausforderung. Wünschbar wären allgemein breitere Strassen bzw. Fahrspuren, so dass mehr Raum für das Nebeneinander von Velo und motorisiertem Verkehr besteht. Prüfen müsste man zum Beispiel auch die Reduktion der Anzahl Fahrspuren zu Gunsten von breiteren Velostreifen. In einer historisch gewachsenen Stadt wie Luzern sind jedoch solche Anpassungen schwierig realisierbar.
Erkennt die (Verkehrs-)Politik das Potenzial des Velos genügend?
Nein, das Potenzial des Velos wird von der Politik nach wie vor unterschätzt. Dies zeigt sich nicht nur in der Verkehrspolitik, sondern auch in der Energiepolitik. Es wird von vielen Kreisen nicht realisiert, dass ein vermehrtes Umsteigen auf das Velo einen sehr grossen Beitrag zur Lösung der Verkehrsprobleme sowie zur Reduktion des Energieverbrauchs und der CO2-Belastung leisten könnte. Eine stärkere Förderung des Veloverkehrs ist deshalb auf allen staatlichen Ebenen dringend notwendig.
Das Velo ist immer wieder Gegenstand von Medienkampagnen. Der frühere deutsche Verkehrsminister Ramsauer hat den Begriff Kampfradler geprägt, oder vergangenen Sommer Die «Neue Luzerner Zeitung» gegen die Velofahrenden geschrieben. Wie erklären Sie sich die tendenzielle Feindseligkeit breiter Gesellschaftsschichten den Velofahrenden gegenüber?
Die Ursachen liegen vermutlich einerseits darin, dass in unserer Gesellschaft das Auto nach wie vor einen sehr hohen Stellenwert geniesst und eine dominante Stellung gegenüber anderen Transportmitteln einnimmt. So entsteht bei vielen Autofahrern oft unbewusst, die Haltung, dass sich andere Verkehrsteilnehmer unterordnen müssen. Andererseits sind auch die engen Platzverhältnisse in den Städten oft ein Problem. Sie stellen auch für Autofahrer zunehmend eine grosse Herausforderung dar.
Was können die Velofahrenden dagegen tun?
Toleranz und Respekt gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern und den Fussgängern erachte ich als selbstverständlich. Dazu gehört auch die Einhaltung der Verkehrsregeln und ein vorausschauendes, vorsichtiges Fahrverhalten.
Die Pro Velo will im kommenden Frühling eine nationale Initiative starten. Was soll damit erreicht werden?
Der Bund hat sich mehrfach zur Förderung des Velofahrens bekannt. Es fehlen ihm aber dazu die verfassungsrechtlichen Grundlagen. Mit der Volksinitiative soll ihm diese Möglichkeit nun gegeben werden. Sie soll es dem Bund ermöglichen, in der Zukunft – ähnlich wie heute bereits schon bei anderen Verkehrsmitteln – Velo-Infrastrukturen oder auch Kampagnen zu Gunsten des Veloverkehrs zu unterstützen. Der Bund soll ausserdem die Möglichkeit erhalten, den Kantonen (und damit den Gemeinden) Vorgaben zu machen, dass und wie gute Velonetze geplant, gebaut, unterhalten und betrieben werden müssen.
Im nächsten Jahr wird die Milchkuh-Initiative zur Abstimmung kommen. Wie nehmen Sie der Autolobby den Wind aus den Segeln?
Die Initianten der Milchkuhinitiative sehen nicht, dass das Auto seine gesamten Kosten längst nicht deckt. So werden insbesondere so genannte externe Effekte wie zum Beispiel die Belastung der Luft, die Lärmbelastung oder der Bodenverbrauch nicht abgegolten. Ausserdem stehen alle Strassen unabhängig von der Nachfrage quasi zum gleichen Preis zur Verfügung, was volkswirtschaftlich unsinnig ist. Deswegen kommt es zu Staus und einer Überlastung von einzelnen Strassen.
Roland Fischer, geboren am 5. April 1965, ist promovierter Volkswirtschafter und seit 2012 Senior Advisor/Consultant an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften, Institut für Verwaltungsmanagement. Im Herbst 2011 wurde der Luzerner für die grünliberale Partei in den Nationalrat gewählt, wo er Vizepräsident seiner Fraktion ist. Roland Fischer und seine Lebenspartnerin Michèle Graber leben in Udligenswil. Die beiden sind (auf dem Velo) unterschiedlich unterwegs. Touren mit dem Trekking-Bike, Zelt und Schlafsack führten sie durch das Baltikum, Island, Kanada, Finnland, Norwegen und Ungarn. Durch Tibet fuhren sie mit dem Mountain-Bike in einer geführten Reisegruppe mit Begleitfahrzeug, ähnliche solche Touren hatten Pakistan, Jemen oder den Sinai zum Ziel. Roland Fischer und Michèle Graber sind auch auf dem Mountainbike unterwegs; im Engadin ebenso wie schon in Südfrankreich, Italien oder auf Korsika. Mehrwöchige Touren führten auch schon über die Alpen. |