Gar schnell hat man sich auf dem Velo verschaltet. Dem Basler Nationalrat Markus Lehmann ist selbiges dieser Tage widerfahren. Der Mann tritt offensichtlich schnell in die Pedale. Oder jedenfalls, bevor er die Route festlegt. CVP-Parteigänger Lehmann hat einen Vorstoss mit dem unappetitlichen Titel «Stopp dem Velolittering» eingereicht und stellt dem Bundesrat diesbezüglich Fragen. Gleichzeitig will er die Velofahrer zur Kasse bitten. Diese sollten sich «im Sinn der Kostenwahrheit» (…) an den vielen baulichen Verbesserungen im Strassenverkehr“ beteiligen.
Doch eins ums andere.
Seit die Veloschilder abgeschafft worden seien, stelle man allerorten eine «Zunahme von wild abgestellten Fahrrädern» fest, schreibt Lehmann, was nicht nur «ein unschönes Bild» abgebe, sondern auch zum Diebstahl einlade. Die Behörden hätten keine Informationen mehr über die Halter von Velos, und letztlich müssten die Steuerzahler «für die Aufwände von nicht sorgfältig und verbotenerweise abgestellten Velos» aufkommen, formuliert Nationalrat Lehmann lupenrein. Weiter, und jetzt kommen wir zum zweiten Thema, sei eine «zunehmende Disziplinlosigkeit bei vielen Velofahrern» festzustellen. Was «ein grosse Ärgernis» sein, hielt Lehmann auf Nachfrage von velofahrer.ch fest. Er schlägt deshalb vor, die Kontrollschilder-Pflicht wieder einzuführen, dafür eine kostendeckende Gebühr zu verlangen und, siehe oben, eine «anteilmässige Gebühr der nicht motorisierten Zweiräder an der Strasseninfrastruktur» zu prüfen.
Gelitterte Zweiräder
Nationalrat Lehmanns Vorstoss hat natürlich einiges Medienecho ausgelöst (PR-Ziel erreicht) und die Leserschaft gleichermassen erbost wie erfreut. Mich wiederum belustigt die Sache eher. Zum Glück, denke ich, lebt Herr Lehmann nicht in Amsterdam oder Kopenhagen. Es müsste ihm dort ob so vieler gelitterter Zweiräder arg übel werden.
Abgesehen davon:
Veloschilder? Das hatten wir doch schon mal! Richtig: Diese rechteckigen Dinger aus Alublech, die mittlerweile Sammlerstatus haben, gibt es seit 1989 nicht mehr, die Velovignette wiederum wurde per 2012 abgeschafft. Auf einen Vorstoss des damaligen Thurgauer Ständerats Philipp Stähelin hin, eines Parteikollegen von Herrn Nationalrat Lehmann. Der Vorstoss trug die Nummer 08.520, «Abschaffung der Fahrradnummer», war eine parlamentarische Initiative und am 3. Oktober 2008 eingereicht worden.
Und jetzt soll die Velovignette bereits wieder eingeführt werden?
Soviel zum Thema Halbwertszeit von behördlichen Beschlüssen und politisches Kurzzeitgedächtnis.
Zum zweiten – Stichwort Kostenwahrheit – liesse sich eine Menge anführen. Ich pflichte, zusammenfassend, Roland Chrétien bei, Geschäftsführer von Pro Velo beider Basel, der sich in der «Basler Zeitung» online wie folgt zitieren lässt: «Jeder Verkehrsteilnehmer, der sich aufs Velo schwingt und nicht ins Auto steigt, sorgt für bessere Luft und weniger Stau.» Ein Autofahrer profitiere also von einem Velofahrer. Abgesehen davon sorge Velofahren dafür, dass die volkswirtschaftlichen Gesundheitskosten sinken.
Ich bin für einen Velofonds
Anderseits finde ich den Vorschlag von Nationalrat Lehmann, die Velofahrer an den Infrastrukturkosten zu beteiligen, durchaus diskussionswürdig, wie ich bereits an anderer Stelle festgehalten habe. Hardcore-Velozipedisten und schlimme Autofeinde werden nun zwar aufheulen und – zu Recht – beteuern, sie bezahlten für ihren Strassennutzen schliesslich mit der ordentlichen Steuer. Statt ständig bittstellern zu müssen, wäre mir aber lieber, ich müsste für meine Velos pro Jahr und Stück eine Fünfzigernote abliefern, wenn ich dafür Gewissheit hätte, dass dieses Geld vollumfänglich in den zügigen Bau von attraktiven, sicheren und schnellen Veloverbindungen fliesst. In eine Art Velofonds, vergleichbar jenem für die Bahn, dem wir am 9. Februar dieses Jahres an der Urne zugestimmt haben.
Fazit: Womöglich gut gemeint, aber nicht verstanden. Oder aber schlecht kommuniziert. Anders gesagt: Knapp verfehlt ist auch daneben, Herr Lehmann. Bevor Sie das nächste Mal in Sachen Velo vorstössig werden, empfehle ich Ihnen, bei der Pro Velo (Dornacherstrasse 101, 4053 Basel) oder der VCS-Sektion ihres Kantons (Gellertstrasse 29, 4052 Basel) vorbeizuradeln. Dort gibt man Ihnen jederzeit Auskunft zum Verkehrsmittel Velo und zur Befindlichkeit von dessen Benutzern. Denn diese lassen durchaus mit sich reden, wenn sie sich von der Politik ernst genommen fühlen. Wer sie aber des Litterings bezichtigt, bloss weil sie ihr Zweirad einen Meter neben dem nicht vorhandenen Abstellplatz hinstellen, den kübeln wir bei den nächsten Wahlen.
P.S.: Was ist eigentlich vom Auto-Littering zu halten? Und steht dieses irgendwie in Verbindung mit der kritisierten „Disziplinlosigkeit“ vieler Velofahrer?
Das Bild habe ich auf baz-online.ch stibitzt. Es stammt von Pierre Stoffel.
[button link=“https://www.velofahrer.ch/wp-content/uploads/2014/06/140621_interpellation_velolittering.pdf“ color=“blue“ size=“large“]Hier den Vorstoss von Markus Lehmann herunterladen[/button]
1 Kommentar
An die Blechtäfeli kann ich mich nicht aktiv erinnern, aber zumindest die aufklebbaren Velovignetten konnte man ja ganz formlos kaufen. Inwiefern die also einen Rückschluss auf den/die VelohalterIn zuliessen ist mir nicht klar.
Und selbst wenn Nummern eingeführt würden, die diesen Rückschluss zuliessen – wer ein Velo in einem überfüllten Bahnhofständer entsorgen wollte, würde sicher auch noch die kriminelle Energie aufbringen, vor dem Abstellen die Nummer zu entfernen.