Unsere heurigen Veloferien waren eine Bummelei. Von Biergarten zu Biergarten ist auch schlecht Rasen. Zudem: Die Radelei lebt ebenso von der Begegnung wie der durchradelten Landschaft. Beides ist Nahrung für die Seele, und in beiderlei Hinsicht war es dieses Jahr erbaulich, wobei wir uns nachfolgend auf die Schilderung derjenigen Zusammentreffen beschränken, die uns besonders in Erinnerung bleiben. Und die wir, nebenbei, auf der Autobahn gewiss nicht erlebt hätten. Doch vorerst: Unterwegs waren wir auf dem Fünf-Flüsse-Radweg – von Regensburg in einer grossen Schleife über Nürnberg dorthin zurück, entlang der Naab, Vils, Pegnitz, dem Ludwig-Main-Donau-Kanal, der Altmühl und der Donau. Sind gut 300 Kilometer, wenig für zwei Wochen, sodass es überall für längere Aufenthalte reichte.
Zu den Begegnungen nun aber:
Tag 1: Im Zug von Zürich nach München sitzen uns Anna und Roberto gegenüber, die den Donauradweg Passau-Wien anpeilen. Annas oberster Chef, so stellt sich heraus, ist ein guter Bekannter und Beinahe-Nachbar von uns. Die Welt ist eben klein.
Tag 2: Auf dem Zeltplatz des Kanuclubs in Regensburg nächtigen auch Katja und Christian, sie aus Deutschland, er aus dem Bernbiet; die zwei sind auf der Heimreise von einer zweieinhalbjährigen Tour durch Süd- und Mittelamerika. Da gibt es jede Menge zu erzählen. «Gförchige» Geschichten auch, zum Beispiel jene von diesem Mordsmuni, der den beiden eines Abends (erfolgreich) den Zeltplatz streitig machte.
Tag 2: Ein holländisches Rentnerpaar beendet in Regensburg seine 1000-km-Tour dem Limes-Radweg entlang. Man wünscht sich weiterhin frohes Pedalieren.
Tag 6: Am 1839 bis 1845 erbauten Ludwig-Main-Donau-Kanal, zwischen Nürnberg und Neumarkt, kommen wir mit dem Rentner Friedrich ins Gespräch, der hier eines der ehemaligen Schleusenwärter-Häuschen bewohnt. Über die Geschichte des Kanals kommen wir auf dessen Erbauer, den bayrischen König Ludwig I., zu sprechen; ich bemerke, es habe sich dieser König eben, wie so viele andere Herrscher, ein Denkmal setzen wollen, wenngleich dessen beschränkter Nutzen absehbar gewesen sein müsste. Darauf repliziert der Rentner, die ihre heutige Königin heisse Angela und lässt sich in der Folge doch eher abschätzig über dieselbe aus. Wir geraten so von der Vergangenheit in wenigen Sätzen ins Heute und ordentlich ins Politisieren und verabschieden uns nach zwanzig Minuten von einem offensichtlich desillusionierten, weil zwangsver-merkel-ten deutschen Staatsbürger.
Tag 7: Der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer überbringt in Berching am Fest zum 300. Geburtstag des Komponisten Christoph Willibald Gluck eine Grussbotschaft. Darauf ist freilich nicht näher einzutreten; Herr Seehofer reise zudem nicht mit dem Velo an, hingegen mit Gattin plus zwei Bodyguards.
Tag 11: Kurz nach Kelheim passieren uns André und Franziska, wir erkennen uns im letzten Augenblick und feiern ein frohes Wiedersehen. André lebt in der gleichen Gemeinde und kenne ich schon lange. Er war schon mit dem Velo nach China unterwegs. Dieses Jahr fuhr er von Dresden, woher Franziska stammt, zurück ins Seetal.
Tag 12 – a: Kelheim zum zweiten. Annemarie kauft ein, ich warte draussen und sehe unversehens zwei Velos der Marke «47 Grad nord» vorbeifahren. Aussergewöhnlich, denke ich, diese Dinger sind doch eher rar, und meine, auf dem einen Rahmenbauer Patrick selbst zu erkennen. Wir wissen voneinander via Mail und diesen Blog. Wenig später treffen wir die zwei im Städtchen, ich spreche den Fahrer an, der sich tatsächlich als der Gemeinte herausstellt. Aha, Du bist das also! Patrick und Nicole reisen von Wien her zurück nach Biel.
Tag 12 – b: Vor dem Benediktinerkloster Weltenburg, am oberen Ende des Donaudurchbruchs, komme ich mit Abt P. Thomas Maria Freihart ins Gespräch, das durch meine Einsiedler Herkunft schnell in Fahrt kommt. Ich nehme einen Gruss an den Einsiedler alt Abt Martin nach Hause.
Tag 12 – c: Zurück in Kelheim, spricht uns kurz vor fünf ein Paar aus Südkorea an, das den Weg durch den Donaudurchbruch sucht. Durch Kelheim fahren zwar viele Donau-Radler, der Weg ist aber schlecht bis gar nicht angeschrieben. Da wir soeben vom angepeilten Ort zurückkommen, wissen wir Rat: Mit dem Schiff bis Weltenburg ists am schnellsten und beschaulichsten. Ich zeige dem Paar noch den Weg zur Anlegestelle und lotse sie zum Ticketschalter, worauf mir die beiden mit tausend Thank-yous fast um den Hals fallen. Zehn Minuten später legt das letzte Schiff dieses Abends ab.
Tag 13: Zurück in Regensburg, wieder auf dem Zeltplatz des Kanuclubs. Um neun am Abend rollen zwei junge Holländer aus Utrecht bei Amsterdam ein, stellen ihre Räder hin und fragen als erstes nach einem Flaschenöffner. Darob kommen wir ins Gespräch, das sich in der Folge länger hinzieht. Max und Friso, beide um die zwanzig, fahren von Amsterdam nach Budapest und feiern heute Halbzeit: den 1000. Kilometer. Frisos Motto: Das beste Gepäck ist jenes, das man zuhause lässt. Die zwei haben tatsächlich nicht viel mehr als ein windschiefes Zelt dabei.
Tag 14 – a: Wir packen, der Zug fährt in zwei Stunden. Übern Zaun fragt uns ein älterer Herr mit lauter Stimme, ob denn das Frühstück munde. Wir bejahen und halten den Mann für einen Penner. Losgefahren, treffen wir ihn nach 100 Metern auf einer Parkbank, wo er mit uns wieder das Gespräch sucht. Und sich als weitgereister Tourenfahrer herausstellt, der schon um die halbe Welt pedaliert ist. Tja, der Mensch hat eben Vorurteile.
Tag 14 – b: Im Zug nach München kommen wir mit einer vifen Dame ins Gespräch, die sich als Mitarbeiterin der Unesco zu erkennen gibt und uns allerhand Spannendes über die Weltkultur-Erbe-Stadt Regensburg erzählt. Dorothea hat das rechte Knie wegen einer Gelenksoperation dick eingebunden. Ohne diese wären wir ihr nicht begegnet: Sie hätte dann nämlich ihren Ehemann auf einer Rally mit historischen Fahrzeugen nach Shanghai begleitet…
Tag 14 – c: Wir sind um 19 Uhr wieder zuhause. Man kennt sich wieder. Oder immer noch. Jetzt sind wir dran mit erzählen.