Bessere Rahmenbedingungen zu fordern ist eine faule Ausrede

Eigentlich wollte der Velofahrer an dieser Stelle ein paar Zeilen von seiner gestrigen Ausfahrt schwärmen: Um fünf aus den Federn, um zwanzig nach in den Sattel, vom Zugerberg aus auf die noch dösende Stadt geblickt, weiter pedalt auf der neu ausgeschilderten «Herzroute»-Etappe nach Einsiedeln mit Ankunft nach gut 60 Kilometern und 1300 Höhenmetern um halb zehn. Mordsdonner, war das ein Erlebnis; ab Zug gehts keinen Meter einer Hauptstrasse entlang, dafür begegnen uns Füchse, die aus Villengärten huschen, und Rehe, die vor der Nase das Waldsträsschen queren. Die Aussicht aufs Ägerital gibts gratis dazu sowie den Katzenstrick als Bergpreis kurz vor der Zielankunft. Mehr kann sich des Radlers Seele nicht wünschen.

Ich wollte also ein wenig schwärmen in diesem Beitrag, was hiermit geschehen ist, und wollte mit dieser Schwärmerei die Aufforderung verbinden, es doch wieder einmal mit einer solchen Ausfahrt zu probieren, statt sich auf ein Wochenende in London zu verlustieren oder im den Stau zu langweilen. Sowas weitet den Blick ungemein und reinigt den Gedankenhaushalt. Doch man gerät mit Derlei natürlich leicht ins Moralisieren. Angesichts dessen kommt ein Bericht in der heutigen «NZZ am Sonntag» gerade recht. Das Blatt berichtet über eine Untersuchung der ETH Lausanne, gemäss der viele Schweizer sich draussen kaum zu Fuss bewegen. Daran ist nichts Besonderes und verwundert tut diese Erkenntnis natürlich nicht. Amüsant ist hingegen die Schlussfolgerung des Bundesamts für Gesundheit. Aus seiner Sicht «müssen sich die Rahmenbedingungen für Fussgänger verbessern», heisst es in dem Beitrag. Es brauche «ein attraktives Bewegungs-Umfeld», wofür Gesundheitsfachleute, Raum- und Verkehrsplaner eng zusammenarbeiten müssten.

Grundsätzlich Ja. Und aber auch Nein.
Bessere Rahmenbedingungen? Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, wenn sie tatsächlich zum Ziel haben, die Mobilität wieder ein bisschen mehr auf die Füsse (oder die Pedale) zu bringen. Und zwar echt, mit einer Um-Lagerung des motorisierten Verkehrs, nicht bloss einer Ver-Lagerung. Doch die Sache wird dann schnell politisch und mitunter zum Wahlhindernis, weshalb sich die Forderung nach «besseren Rahmenbedingungen» aus eines Politikers Mund meist als Ausrede dafür gehört werden kann, nichts tun zu müssen.
Ebenso grundsätzlich geht es freilich auch ohne Politik. Für den Studienautor zumindest ist klar, «dass die Infrakstruktur nur ein Aspekt ist», wie er im NZZ-Artikel betont. Ebenso müsse bei der Einstellung des Einzelnen angesetzt werden. Dieser Satz gehörte an den Anfang des Beitrags.

P.S. und abgesehen davon: An unseren Rahmenbedingungen gibt es wenig zu verbessern. Theoretisch natürlich schon. In der Praxis aber genügte es, sich auf den Weg zu machen, in den Sattel zu schwingen. Man entdeckte dadurch Leben und Natur und beschlösse, da lernfähig, fortan sich häufiger aus eigener Kraft voranzukommen. Infolgedessen würde dort, wo der Mensch in der Masse auftritt, sich weniger motorisiert bewegt. Wodurch sich die Rahmenbedingungen sozusagen von alleine verbessern täten.

Können «Rahmenbedingungen» noch besser sein? Einige Eindrücke von der «Herzroute»-Etappe von Zug nach Einsiedeln:

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