Der Velofahrer übersömmert ozonbelastet

Weiss jemand, wo und wen das Ozon gerade belastet? Draussen scheint seit bald drei Wochen die Sonne reinweiss von blauem Himmel, aber das Ozon verbringt seine Tage offenbar anderswo. Jedenfalls hat sich die Belastung durch dasselbe der öffentlichen Aufmerksamkeit zur Gänze entzogen. Während uns früher (wann war das schon wieder?) Bundesämter und kantonale Dienststellen des Sommers mit Ozonwarnungen an den Schatten drängten und Tempobeschränkungen auf Autobahnen verordneten, ist davon in diesem doch sehr sommerlichen Sommer gar nichts (mehr) zu vernehmen. Dabei betrug die Belastung der Luzerner Luft, als ich mich gestern um 18 Uhr in den Sattel schwang, doch satte 160 Mikrogramm pro Kubikmeter, weshalb ich, die kurze Anhöhe auf halbem Weg emporkeuchend, doch ein leichtes Kratzen im Hals zu verspüren glaubte.

Man passe sich bitte an
160 Mikrogramm? Dürfte ich mich da überhaupt noch auf die Strasse wagen? Besser nicht, wenn wir uns an den Beschluss erinnern, den die Bau-, Planungs- und Umweltdirektorenkonferenz (BPUK) im April 2005 nach Absprache mit den Bundesbehörden gefällt hat: die Bevölkerung sei bei hohen Ozonwerten aktiv zu informieren. Zwar erst ab dem europäischen Schwellenwert von 180 Mikrogramm pro Kubikmeter. Aber: Diese Konzentration entspricht dem anderthalbfachen Wert des Ozon-Immissionsgrenzwertes der Schweizer Luftreinhalteverordnung, der bei 120 Mikrogramm im Stundenmittel liegt. Letzterer darf gemäss dieser Verordnung nur einmal pro Jahr überschritten werden.

Für dieses Jahr ist dieses Guthaben natürlich längst ausgeschöpft. Zuletzt informierte die BPUK am 3. Juli (wie schon am 1. und 2.) auf ozon-info.ch mit ihrer Standardmedienmitteilung über die zu hohe Ozonbelastung und rief die Bevölkerung dazu auf, «körperliche Anstrengungen anzupassen und einen Beitrag zu weniger Luftschadstoffen zu leisten». Doch dieser Aufruf verhallte nach meiner Wahrnehmung im Nirgendwo. Googelt man die Wörter «Ozonbelastung», «Schweiz» und «2015», liefert die Suchmaschine einen einzigen aktuellen Medienbeitrag; «20 Minuten» hat das Thema am 6. Juli aufgegriffen.

Das Verkehrsaufkommen beschränken
Klima-Optimisten und Umweltbarbaren dürfen Die veränderte öffentliche Wahrnehmung der Ozonbelastung als Sieg verbuchen und auf das Waldsterben verweisen, das sich seinerzeit ebenfalls als Fehlanzeige entpuppt habe. Diese Aus-den-Augen-aus-dem-Sinn-Haltung deckt sich mit der Feststellung der Klimaexperten des Bundesrats (*). Diese stellen in einem Bericht vom 15. Juni dieses Jahres fest, es fehle «an der grundsätzlichen Einsicht, wie dringlich das Problem» sei, «weil bislang kaum sichtbare Beeinträchtigungen erkennbar» seien und «der Leidensdruck der Betroffenen immer noch gering» sei. Dieser Satz steht in den «Strategischen Empfehlungen zur Klimapolitik», die der «NZZ am Sonntag» vom 5. Juli immerhin die Titelgeschichte wert war. In den anderen Medien fanden die Empfehlungen indes kaum Widerhall. Dabei sind die Forderungen brisant: Der CO2-Ausstoss sei konsequent mit Abgaben zu belegen, das Verkehrswachstum mit Mobility Pricing und Kontingentslösungen zu beschränken und die Klimaverträglichkeit müsse «zu einem festen Bestandteil bei der Planung von Infrastrukturvorhaben werden». Im Verkehr etwa seien grossflächige Ausbauten der Infrastruktur «nur eine Scheinlösung». Damit und mit höheren Geschwindigkeiten würden einfach in der gleichen Zeit längere Wege zurückgelegt.
Dass ihr Bericht öffentlich kaum wahrgenommen wurde (so nehme ich es wenigstens wahr), wird die Klimaexperten selbst freilich nicht wundern, denn sie sind selbst pessimistisch, wie sie schreiben: «Neue Wege für das Mobilitätsproblem finden sich erst, wenn das Transportsystem an seine Grenzen stösst und neben einem möglichen Ausbau auch andere Optionen, also eine Beschränkung des Verkehrsaufkommens, diskutiert werden.
In diesem Sinne: Gute Fahrt – womit auch immer!

(*)Das «Beratende Organ für Fragen der Klimaänderung» (OcCC) berät den Bundesrat in Klimafragen.

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