Auf dem Velo fängt Schweden schon im Oktober an

Um es vorab klarzustellen: Der Titel dieses Beitrags ist kryptisch. Aber er erfüllt die Anforderung, die Schlüsselwörter, unter denen man im Netz gefunden werden will, darin unterzubringen. Doch die Formulierung stimmt natürlich auch Inhaltlich. Weil, wer sich mit dem Radl auf Reise begibt, dieselbe nicht am Vorabend mit der Packerei beginnt, sondern viele Monate vorher, und solcherart die Reisedauer virtuell verlängert und die Vorfreude in natura steigert.

Bei mir und uns ging und geht das derzeit so:

In Betracht gezogen wurde im Herbst vergangenen Jahres, die schwedische Insel Gotland mit Rad und Zelt zu umrunden. Was wir damals noch nicht wussten: Die schwedischen Bahnen fahren nicht Velo. Kundendienst-Mitarbeiterin Anna von der Gesellschaft Snälltaget beschied uns am 5. Oktober 2015 auf meine Mailanfrage klipp und klar: «Bicycles are generally not allowed to bring on board of our trains.» Anna war nicht die erste, die auf unsere diesbezügliche Anfrage abschlägig antwortete. Eine Elin von der gleichen Bahngesellschaft liess mich gleichentags wissen: «I am sorry, there are no railway companies operating Malmö-Stockholm that allows bikes at the moment.»

«Grundsätzlich keine Fahrräder»
Antworten in Foren machten nicht mehr Mut. Ein in entsprechender Verzweiflung abgesetzter Tweet bestätigte das Übel. @dalacyklist beschied mir, was ich geahnt hatte: «Die schwedische Staatsbahne nimmt grundsätzlich keine Fahrräder mit.» Hinter @dalacyklist verbrigt sich Christoph Matthei, der mit seiner Familie vor einigen Jahren aus Norddeutschlang nach Dalarna in Mittelschweden zog und hier einen Veloladen betreibt, der unter www.dalacykel.se erreichbar ist und sich auf Spezialräder fokussiert.

Christoph meinte, gerade mit der Schweiz dürfe man das schwedische Bahnsystem auf keinen Fall vergleichen. Er sehe keine Möglichkeit, weiter als bis nach Växjö zu kommen mit dem Velo im Zug. «Es kann sein, dass es irgendwelche Regionalbusse von Växjö nach Oskarshamn gibt, die Fahrräder mitnehmen, aber davon weiss ich nichts», schrieb Christoph. Oskarshamn ist der Hafen, ab dem die Fähren nach Gotland ablegen.

Gotland hat uns gesehen
Leider: Gotland hat uns damit gesehen. Beziehungsweise nicht. Immerhin aber: So vernetzen sich Velocipedisten international. Familie Matthei vermietet übrigens eine Ferienwohnung. Nur so am Rand, falls jemand von euch dort mal vorbeipedaliert.

Den Schweden gegenüber wollten wir freilich nicht so schnell klein beigeben. Die Anreise über Kopenhagen und Malmö fiel jedoch aus dem Radar: Nachtzüge in die dänische Hauptstadt gibt es nicht mehr, die Tagverbindungen sind mit Umsteigen mühselig und bei den Fernbussen ab Hamburg ist die Velomitnahme Glücksache.

Mit der Nachtfähre nach Göteborg
Als öV-kompatible Gegend erwies sich schliesslich Südschweden. Göteborg ist ab Kiel mit der Nachtfähre in acht Stunden erreichbar. Und nach Hamburg gibts den Nachtzug noch. Damit war die Wahl getroffen, und nachdem Bloggerkollege Martin Moschek von biketour-global.de empfohlen hatte, von Hamburg nach Kiel besser den Zug zu nehmen als selbst in die Pedale zu treten, waren die Tickets bald gebucht: Basel-Hamburg, dort n’bisschen rumhängen, auf den Abend hin anderthalb Stunden nach Kiel zugfahren, sich in die Koje legen (Buchungszwang, leider…) und am andern Morgen in Göteborg erwachen. Eine Reportage in einer alten «Trekkingbike»-Ausgabe von einer Tour von Göteborg dem Nordseeküsten-Radweg entlang bis an die norwegische Grenze bestärkte uns in der getroffenen Wahl.

«I would gladly help you»
Das ihre dazu trug sodann Lisbeth Borgesand bei, auf die wir zwecks näherer Abklärungen sodann gestossen waren. Lisbeth ist Präsidentin des Göteborg-Ablegers der schwedischen Pro Velo (oder so ähnlich…), die schon nach der ersten Kontaktaufnahme per Mail im Januar meinet, natürlich wolle sie «gladly like to help you to have the very best cycling vaccation on the westcoast of Sweden».

Daran arbeiten wir seither kontinuierlich. Zwischenstand per heute:

  • Dank Lisbeth wissen wir, dass es von der norwegischen Grenze zurück einen Zug nach Göteborg gibt, der, man staune, Velos ganz offiziell mitnimmt. Was unseren Reiseradius natürlich beträchtlich erweitert.
  • Lisbeth hätte uns ferner die notwendigen Velokarten besorgt, was wir über www.cykelkartan.se bereits getan hatte. (Über Karten verbringe ich gerne Stunden und gleiche dann die noch papierene Route mit Google Earth ab.)
    Im April traf ein dickes Couvert von Lisbeth ein mit einem handgeschriebenen Begleitbrief. Drin waren eine Menge Prospekte und Radkarten. Auf manchen hatte sie lohnenswerte Ziele eingekreist und diese mit kleinen Bemerkungen versehen.
  • Lisbeth hat uns am Tag unserer Ankunft zu sich eingeladen, denn «I find it easyer to tell you about good places when we can look at the map together», schreibt sie uns, weshalb wir uns am Ankunftstag, am 24. Juli, am Nachmittag zu ihr aufmachen werden, nach Mölnlyke, einem 15 Kilometer entfernten Vorort von Göteborg. Lisbeth arbeitet in der Nacht zuvor, bis 14 Uhr, meint sie, habe sie aber lange genug geschlafen, und sie werde «habe something nice for you to eat when you come». Darauf freuen wir uns natürlich, auch auf den «ride back to Gothenburg» mit Lisbeth, «you to show you things by the way», wie sie schreibt.
  • Wir freuen uns natürlich auch auf Ulf, Lisbeths Mann. «My husband Ulf is not a biker but nice anyway :-)», liess sie uns im letzten Mail von Mitte Mai wissen. Es wird uns trotzdem nicht an Gesprächsstoff mangeln…
Wo es sich lohnt, Pause zu machen: Lisbeth hat auf den zugeschickten Prospekten sachdienliche Bemerkungen angebracht. | © 2016 Dominik Thali
Wo es sich lohnt, Pause zu machen: Lisbeth hat auf den zugeschickten Prospekten sachdienliche Bemerkungen angebracht. | © 2016 Dominik Thali
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3 Kommentare

Salut Dominik,

das ist aber schön zu lesen, diese grenz- und sprachüberschreitende Hilfsbereitschaft inbezug aufs Velo :-).

Was mich interessiert: Welche Zugverbindung ist es denn, die von Norwegen nach Göteberg Velos mitnimmt? Ich bin auch schon an der schwedischen Bahn verzweifelt und wenn sich diese Lücke schliessen lässt, komme ich doch noch mit der Bahn nach Oslo und kann weiter Richtung Nordkap fahren. Fliegen mag ich nämlich nicht.

Gruss und schöne Ferien, Stefan

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