Das Velo ist für viele Menschen in Afrika die Grundlage für ein besseres Leben. Die Organisation «velafrica», die seit 1993 ausgemusterte Fahrräder aus der Schweiz in den Süden verschifft, belegt dies jetzt anhand zweier Forschungsarbeiten.
Über 150’000 ausgediente Fahrräder hat «velafrica» seit 1993 nach Gambia, Ghana, Tansania, Eritrea, Madagaskar, Burkina Faso und in die Elfenbeinküste bringen lassen. Sie haben dort neue Besitzerinnen und Besitzer gefunden. Was aber sagt die hohe Zahl über die Wirkung vor Ort aus? Zwei Studien, die über «velafrica» an der Universität St. Gallen entstanden sind, kommen zum Ergebnis, das Velo sei das «Werkzeug, mit dem die Menschen ihre Lebensgrundlage in vielen Bereichen entwickeln können», wie es in der Zusammenfassung heisst. Untersucht wurden die Länder Burkina Faso und Tansania, hier wurden umfangreiche Zählungen und Interviews durchgeführt. Fazit:
Velos…
- … wirken sich positiv auf das fi nanzielle Vermögen aus,
- ….helfen, menschliche Ressourcen (Arbeitsleistung, Schulleistung) auszuschöpfen,
- …erleichtern die Pfl ege sozialer Kontakte,
- …verbessern das persönliche Wohlbefi nden (Motivation, Selbstvertrauen),
- …tragen zur materiellen Sicherheit (Zugang zu Serviceleistungen, Deckung von Grundbedürfnissen, sichereVersorgung mit Nahrungsmitteln) bei.
Will heissen: Mobilität ist ein zentraler Entwicklungsfaktor. Velos erleichtern es, die täglichen Aufgaben zu erledigen, sie verbessern den Zugang zu Bildung und Gesundheitseinrichtungen, und machen das eigene Gewerbe – für viele Menschen in Afrika der Lebenserwerb – leichter und wirkungsvoller. Beispiele: Kilometerlange Schulwege sind mit dem Velo schneller und sicherer zu bewältigen. Ein Velo wird meist von zwei Personen genutzt wird. Damit erziele ein zusätzliches Velo pro Familie rein rechnerisch 1000 zusätzliche Arbeitsstunden pro Jahr, führt die Studie aus. Anstelle von 20 Kilogramm pro Tag zu Fuss können mit dem Velo bis zu 150 Kilogramm transportiert werden. Velos erhöhen die Reichweite, Transportkapazität und den Handlungsspielraum.
Velovorteile, die weltweit gelten
Was für Afrika gilt, trifft, unter umgekehrten Voraussetzungen, freilich auch auf den übermotorisierten Westen zu. Gerade die letzterwähnten Vorteile des Velos entdecken Städte, die sich vom Auto überrollt sehen, nach und nach wieder. Andere Erkenntnisse aus der Studie dürften gerne auch hier 1:1 zur Kenntnis genommen werden. Stichwort Schulweg: Beide Studien halten fest, die «körperliche und geistige Präsenz im Unterricht» nehme «markant» zu, wo die Schülerinnen und Schüler das Velo für den Schulweg benutzten. Oder: «Fahrräder fördern und erleichtern die sozialen Aktivitäten. Erwachsenen ermöglicht das Fahrrad vermehr Besuche von Freundinnen und Freunden sowie von entfernt wohnenden Verwandten.»
Notwendig und aber auch spannend wird sein, die Wirkung vom «mehr Velo» in regelmässigen Abständen zu hinterfragen. Denn vorstellbar ist (auch) eine Entwicklung, wie sie bei uns ebenso stattgefunden hat wie beispielsweise im fernen China, wo auf die Verbesserung wirtschaftlicher Verhältnisse das Auto das Velo zum Armeleutefahrzeug gestempelt hat. «velafrica» unterstützt zwar in seinen Partnerländern den Aufbau von örtlichen Fahrradzentren und bildet mit lokalen Organisationen Velomechanikerinnen und -mechaniker aus. Eines der Partnerprogramme von «velafrica» ist zudem «Bike2School» in Tansania, das Sekundarschülerinnen und -schülern den Zugang zu preisgünstigen Velos ermöglicht. Solche Basisarbeit ist wichtig und kann das Fundament für eine Verkehrspolitik sein, die aus Fehlern des Westens lernt.
[blue_box]Hier gehts zu Kurzfilmen von «velafrica», welche die Organisation, ihre Arbeit und deren Auswirkungen erklären.[/blue_box]