«Es ist bedauerlich, dass im Zentrum der Zentralschweiz derzeit bewusst eine Verdrängungs- statt eine konstruktive Förderungspolitik betrieben wird», schreibt der Chefredaktor der «Luzerner Zeitung», Jérôme Martinu, in der Ausgabe vom 13. Mai 2017. Er findet, in Luzern das Velo werde verpolitisiert, was «recht kontraproduktiv» sei, und eine «langfristige, auf Prosperität und Lebensqualität fokussierte Verkehrspolitik» müsse sich «um Ausgleich bemühen».
Anlass für seine Feststellung gibt Martinu zweierlei: Die Linke im Luzerner Stadtparlament verlangt aktuell per Vorstoss, einen Grundsatzentscheid zwischen Tiefbahnhof und Autobahnumfahrung zu treffen. Und: Am Erscheinungstag des Kommentars wurde die neue Langsamverkehrsachse auf dem ehemaligen Zentralbahn-Trassee eröffnet.
Städte für Menschen, nicht den Verkehr
Martinu, wiewohl er sich in seinem Kommentar als «fast täglicher Velofahrer» zu erkennen gibt, schlussfolgert freilich arg kurzsichtig. Verdrängt, um seinen Titel zu gebrauchen, hat in den vergangenen Jahrzehnten vielmehr der motorisierte Verkehr den Langsamverkehr (Fussgänger inbegriffen), und das längst nicht nur in Luzern. Doch auch diese Stadt wurde nicht für das Auto gebaut, aber das Auto hat sie erobert und damit das Leben vielerorts verdrängt. Beziehungsweise: auf Stop-and-go reduziert. Städte sind jedoch für die Menschen da, nicht den Verkehr. Letzterer hat sich unterzuordnen. Zudem: Wenn der Stadtrat sich dafür einsetzt, das Gleichgewicht einigermassen wiederherzustellen, so tut er dies zudem im Volksauftrag: Die Stimmenden haben sich 2010 und 2015 dafür ausgesprochen, den Langsamverkehr zu fördern. Um mit Martinu zu sprechen: sich «um Ausgleich» zu bemühen.
Nochmals: Es geht nicht um, wie Martinu schreibt, um «ÖV und Velos hui – motorisierter Individualverkehr pfui». Es geht um eine Stadt, in der sich leben lässt, ohne unter die Räder zu geraten. Eine durchaus mehrheitsfähige Forderung.
P.S.: Zu dem Kommentar passt, wie die «Luzerner Zeitung» gleich dreimal die aus ihrer Sicht (zu) hohen Kosten für das Velofest vom 13. Mai 2017 zur Eröffnung der Langsamverkehrsachse moniert. In der Vorschau (Ausgabe vom 12. Mai 2017) lautet der Titel: «200’000 Franken für das Velofest». In seinem Kommentar vom 13. Mai 2017 schreibt der Chefredaktor, die Gemeinden Luzern und Kriens liessen für das Velofest «wohl gegen eine Viertelmillion springen», und in der Berichterstattung vom 14. Mai 2017 doppelt Redaktor Christian Hodel nach: Die Verantwortlichen hätten sich den Anlass «rund 200’000 Franken kosten» lassen. Das ist natürlich (zu) viel Geld für ein Verkehrsmittel, das ausser Lebensfreude keine Nebenwirkungen verursacht.
2 Kommentare
Man sollte das ganz leicht nehmen: Die kriegen langsam wirklich Angst, die Autofahrer 🙂
Deshalb versuchen sie alles, um Ängste heraufzubeschwören. Dass im Detail so eine Ansicht nicht zu halten ist, interessiert zunächst nicht, man feuert aus allen Rohren, um die eigene Bequemlichkeit zu verteidigen und nicht zugeben zu müssen, wie die eigene Lebensweise auf Kosten vieler Anderer stattfindet.
Ein eigentlich sehr interessanter Prozeß, der im Moment auf sehr vielen Ebenen stattfindet. Menschen in der Ersten Welt wird langsam klar, auf welchem Fundament ihr Wohlstand aufgebaut ist. Irgendwann wird man sich vor diesen Erkenntnissen nicht mehr wegducken können. Und die Velo-Auto-Front ist nur ein kleiner (aber wichtiger!) Nebenschauplatz.
Einfach unbeirrt weitermachen mit dem Velofahren!!!
Und dabei seinen Humor und sein Wissen um eine gute Lebensweise nicht aufgeben 🙂
Ganz Deiner Meinung, Peter. Immer wieder bemühend ist zudem die (auch in diesem Fall) in den Social Media bemühte Behauptung, die Velofahrer bezahlten nichts an ihre Infrastruktur. Ansonsten, um dich und mich zu zitieren: den Humor nicht aufgeben und sich jeden Tag Velo-Lebensfreude zuführen. Hat garantiert wohltuende Nebenwirkungen.