Wie ich meinem Nah-Überholer näher kam

Da hatte mich jemand auf meinem Arbeitsweg seit einigen Monaten auf einer schmalen Strasse überaus knapp überholt. Und ordentlich schnell. Damit hat’s nun ein Ende. Hoffentlich. (*) Der Fahrer musste mit mir reden.

Die unbekannte Person hatte mich im April oder Mai erstmals mit ihrem schwarzen SUV überholt, keinem der ganz grossen, aber einem breiten und schnell genug, um mich Richtung Wiesland zu drängeln, denn dieser vier Kilometer lange Abschnitt meines Arbeitswegs ist bloss ein Strässchen, 2,8 Meter schmal, das dafür geteert wurde, einige Landwirtschaftsbetriebe zu erschliessen, aber je länger je mehr als Schleichweg für den Pendlerverkehr missbraucht wird.

Ich erschrak jenes erste Mal und ballte beim zweiten die Faust. Hörte ich fortan ein Auto von hinten nahen, blickte ich zurück; wars der blaue Kombi, hatte ich wenig zu befürchten, beim schwarzen SUV jedoch  nahm mich in Acht. Nie schaffte ich es freilich, dem Fahrzeug bis zum nächsten Stopp zu folgen, wo es würde anhalten müssen.

Die Gelegenheit bot sich dann vor einigen Tagen. An der Stelle, wo mich eine Woche eine entgegenkommende Fahrerin, in den Morgen träumend, zu einem Notstopp gezwungen hatte, diesmal vollends ins Wiesland, musste besagter SUV hinter mir abbremsen, worauf ich nicht rechts Platz machte, sondern in der Strassenmitte anhielt und die Person am Steuer zum Anhalten zwang.

An diesem Punkt hätte die Sache in eine verbale Keilerei ausarten können. Tat sie aber nicht. Denn erstens entpuppte sich der Fahrer als mir per Du bekannter Mann, und zweitens hatte ich mir meine Rede für diesen Augenblick schon so lange zurechtgelegt, dass sich mein Puls innert Sekunden auf einen normalen Takt verlangsamte und ich meine Argumente in vernünftiger Tonlange vorzubringen vermochte.

  1. Ich bat den Mann, worum ich schon andere Nah-Überholer gebeten hatte: Stell‘ dir jedesmal vor, wenn du jemanden auf dem Velo überholst, es sei dein Sohn oder deine Tochter.
  2. Ich fragte ihn sodann, was er denn tun würde, wäre ich der Bauer von dort vorne und mit dem Traktor unterwegs.

Auf Bemerkung 1 trat der SUV-Fahrer erwartungsgemäss nicht ein. Er wandte stattdessen ein, «ihr Velofahrer» (er sprach im Plural) könntet doch auch seitlich ausweichen. Ich fragte ihn, wo denn (**), und gab zu bedenken, dass ich an dieser Stelle fast gleich schnell unterwegs sei wie er. (***) Nach weiterem Hin-und-Her forderte ich den Mann mit meiner Bemerkung 2 heraus, die er mit der Antwort quittierte, dann müsste er natürlich hinterherfahren. Aha.

Woraus wir uns beiderseits einen guten Tag wünschten und unseres Weges gingen. Beziehungsweise fuhren. Es war viertel vor sieben und der Tag versprach sonnig zu werden.

  • (*) Zweimal hat der Mann mich seit dem hier beschriebenen Vorkommnis überholt. Wie immer. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt.
  • (**) Die Strasse ist auf den erwähnten vier Kilometern 2,8 Meter breit. Der SUV meines Nah-Überholers ist 1,84 Meter breit. Ohne Rückspiegel.
  • (***) Von der Stelle, an der mich der SUV-Fahrer überholen wollte, bis zur Einmündung in die nächste Hauptstrasse sind es 1,25 Kilometer. Dafür brauche ich bei durchschnittlich Tempo 35 (es geht länger abwärts) 2 Minuten und 7 Sekunden. Ein Auto, das mit durchschnittlich 40 fährt, benötigt 1 Minute und 52 Sekunden, also 15 Sekunden weniger.

P.S.: Ich kauf‘ mir jetzt einen Traktor.

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5 Kommentare

Allerhand, einfach übel.
Darf der dort überhaupt fahren? Wenn nicht, anzeigen. Und ich selber bin froh um meinen Rückspiegel und fahre eigentlich fast nur noch mit Kamera. Habe allerdings nur eine nach vorn, aber trotzdem.

Ich würde den jetzt überhaupt nicht mehr vorbeilassen, sondern nur noch mittig fahren, er scheint ja offenbar überhaupt keine Einsicht zu zeigen und hat Dich trotz des Gespräches weiter gefährlich nah überholt. Und wenn Du fast gleich schnell bist wie er, wozu will er überholen?

Er darf, es ist kein Fahrverbot signalisiert. Und ich lasse die Motorisierten ja im Sinn eines friedlichen Nebeneinanders ja auch vorbei, wenn ich das ohne Anhalten und Ins-Wiesland-Fahren tun kann. Aber oft will die «Gegenseite» ihr vermeintliches Recht des Stärkeren einfach durchsetzen. Ich muss wohl konsequent noch mehr in der Mitte fahren.

Wenn die Strasse nur für den Landwirtschaftsverkehr geteert wurde, sollte sie eigentlich so ausgeschildert werden, dass Fahrverbot für MIV und Töfffahrer ist, nicht aber für Velos und Mofas (=schnelle E-Bikes). Und «landwirtschaftlicher Verkehr gestattet». Allenfalls mal bei der Gemeinde vorstellig werden, oder bei der Polizei, und den Sachverhalt schildern.

Sie wurde eben nicht nur für die Bauern geteert. Es ist eines dieser kleinen Strässchen, die einst nur als Verbindung zwischen und zu den Höfen diente, aber nun als Schleichweg missbraucht wird. Ich mach mich nun aber schlau betreffs Fahrverbot mit Zubringerdienst.

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