Der Velofahrer, der zu viel wusste

Damals, als es das Internet erst im Büro gab, kaufte ich mir am Kiosk die Zeitung, um über das Wetter in den nächsten Tagen Bescheid zu wissen. Darauf richteten wir die Tour aus. Heute klemmt das Smartphone am Lenker und kündigt mir jeden Regenschauer per Push-Alarm an. Nass werde ich trotzdem.

Mobile und Velotour: Passt. Hält aber auch auf. Führt mich. Lenkt mich aber auch ab. Weiss mehr als ich. Aber auch zu viel.

Vergangenen Sommer unterwegs, der Samstagabend in Valdemarsvik war sonnig; spät kriechen wir in den Schlafsack und loggen uns – nur noch schnell, gell! –  auf die Seite des schwedischen Meteodienstes ein um zu sehen, wie’s denn morgen und übermorgen würde mit dem Wetter.

Gut am Sonntag. Aber übel am Montag: grau und nass. Die Laune sinkt. Vorauseilend.

Wir könnten doch, meinen wir angesichts dessen, uns ein Dach überm Kopf suchen, wie letzthin, als wir, den Regen scheuend, in diesem Vandrerhem in Fårösund nächtigten. Und begannen also zu tippen und zu googeln, zu werweissen und abzuwägen, wir harmonierten und differierten, digital und analog. Wir…

  • … suchten nach einem Hostel in Söderköping: alles besetzt.
  • …suchten nach einer Airbnb-Bleibe ebendort: nicht einladend, ungünstig gelegen, zu teuer.
  • … erinnerten uns schliesslich unseres Warmshower-Accounts und fanden einige Kilometer entfernt eine Familie sogar deutscher Herkunft, der wir schrieben.

Damit waren anderthalb Stunden vergangen (anderthalb!) und war es Mitternacht geworden. Wir legten uns hin. Mässig gelaunt.

Lasst euch nicht aus dem Konzept bringen

Anderntags schien die Sonne früh und warm ins Zelt. Wir loggten uns ein – nur schnell, gell! – und lasen, was Benjamin, der angepeilte Warmshowers-Gastgeber, uns bereits geschrieben hatte: «Leider sind wir in den nächsten Tagen selbst unterwegs und können Euch deshalb nicht unterbringen. Lasst Euch vom Wetterbericht nicht aus dem Konzept bringen; diesen Sommer war der häufig nicht besonders zuverlässig. Besonders grosse Regenmengen werden oft erheblich kleiner, je näher man dem Datum kommt.»

Wir freuten uns also des Morgens und pedalten los, langten am Nachmittag in Stegeborg an, der Einfahrt in den Götakanal, und kein Grau am Himmel trübte die Aussichten. Der Abend war friedlich, der folgende Morgen, für den uns das Smartphone doch Trübnis angekündigt hatte, wiederum sonnig; der Schauer, der uns unterwegs überholte, lohnte nicht einmal das Anziehen der Regenjacke. Den Zeltplatz in Söderköping erreichten wir um zwei, und eingerichtet dort waren wir, als es gerade zu prasseln anhob, sodass wir uns zu einer Schlafpause entschlossen, die am Ende bis sechs dauern sollte. Dann war, was uns zwei Tage zuvor als Sintflut angedroht worden war, vorüber.

Wir krochen aus dem Zelt und der Himmel war blau, die Strassen dampften, wir flanierten und spazierten, gedachten Benjamins Ratschlag und waren des Lebens froh. Spätabens krochen wir in die Schlafsäcke und widerstanden der Versuchung, das Smartphone einzuschalten. Nur noch schnell, gell!

Nein.

P.S.: So viel zum Titel dieses Beitrags

 

 

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1 Kommentar

Ja, diese Meteodienste… dazu ein kleiner Witz:
Die Indianer wollen von ihrem Medizinmann das Wetter des kommenden Winters wissen. Er weiß es nicht, will aber sein Ansehen nicht verlieren und wägt ab, was er sagen soll. Einen harten Winter, der einen ohne Vorbereitungen trifft, ist der größere Schaden, deshalb erzählt er laut, dass es einen eisigen Winter geben wird. In Panik rennen die Indianer los und sammeln Holz. Am nächsten Tag bekommt der Medizinmann ein schlechtes Gewissen. Er ruft in der Stadt beim Wetterdienst an: „Wissen Sie, wie der nächste Winter wird?“ „Ja – er wird sehr hart“. „Woher wissen Sie das so sicher?“ „Wir haben untrügliche Zeichen.“ „Welche denn?“ „Bitte sagen Sie es nicht weiter – aber die Indianer sammeln Holz …“

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