Das kantonale Radroutenkonzept Luzern von 1994, das von 415 Kilometern Velowegen ausgeht, ist erst zu zwei Dritteln umgesetzt.
Immerhin, meint die Politik. Der Velofahrer entgegnet: Eine ganze Generation für ein immer noch lückenhaftes Netz?
Meine Kinder steckten 1994 in den Windeln. Heute kommen sie zwischen Autokolonne und Trottoirrand noch mehr unter die Räder als damals im Anhänger. Überland sind die Verbindungen zwar besser geworden. Aber im eigenen Dorf? Fehlanzeige. Gefühlt wie wahrgenommen: Auf dem Land wird über Umfahrungen und Parkplätze gestritten, nicht jedoch die Verkehrswende geplant.
Vielleicht gehts (fährts) mit dem neuen Veloweggesetz endlich vorwärts, das sich zurzeit in der Vernehmlassung befindet. Es böte die Chance, «über den Velowegrand zu blicken», schreibt der Verkehrsclub der Schweiz (VCS) in seinem neusten Magazin. «Dass es für eine wirkungsvolle Veloförderung mehr braucht als nur Velowege, sieht man in Ländern wie den Niederlanden oder Dänemark. In weitreichenden Masterplänen legen sie Ziele fest: Wie soll sich das Velo als Verkehrsträger entwickeln? Wie viel Prozent des Verkehrsaufkommens soll der Veloverkehr ausmachen?»
Manche Städte haben in dieser Hinsicht schon gehörig Fahrt aufgenommen oder sind daran, dies zu tun. Bern will nicht nur Landes-, sein, sondern auch Velohauptstadt sein. Die Stadt Zürich stimmt am 27. September über ein Velonetz mit sternförmigen und tangentialen Routen von mindestens 50 Kilometern Länge ab. Die Velorouten-Initiative hat an der Urne gute Chancen. Die Stadt Biel hat im August ihren «Sachplan Velo» in das öffentliche Mitwirkungverfahren geschickt. Ziel: Bis 2035 ein durchgehendes und sicheres Velonetz verfügen. (Bis 2035? Siehe oben: Immerhin…). In Luzern schliesslich sammelt Pro Velo derzeit Unterschriften für die Initiative «Luzerner Velonetz jetzt!». Im Wortlaut: «Zur Umsetzung des Veloroutennetzes realisiert die Stadt bis spätestens 10 Jahre nach Inkrafttreten dieser Bestimmungen insbesondere ein Netz aus sternförmigen sowie tangentialen Velobahnen, die von Fuss- und motorisiertem Individualverkehr weitgehend getrennt geführt werden. Velobahnen werden als Velostrassen signalisiert oder auf Radwegen geführt, die je Fahrtrichtung eine Breite von mindestens zwei Metern aufweisen. Die Gesamtlänge dieses Netzes beträgt mindestens 20 km.»
Immerhin.
Der «Seetaler Bote» hat mir dieser Tage einige Fragen zum Velofahren gestellt, das Interview erscheint in der kommenden Ausgabe (17. September 2020) in einer Wirtschaftsbeilage, in der es unter anderem ums Thema Velofahren und Corona geht. Die Fragen und meine Antworten: hier.
Stellen auch Sie mehr Velofahrer fest?
Meiner Empfindung nach ist der motorisierte Verkehr so dicht als wie zuvor, es hat aber gefühlt auch mehr Leute mit dem Velo. Es gibt Velostrecken wie den Xylophonweg zwischen Reussbühl und Luzern, da herrscht zu den Stosszeiten tatsächlich Dichtestress – für mich ist das aber ein schöner Stress.
Der Absatz von Velos ist in diesem Jahr um 25 Prozent gewachsen. Können daraus politische Forderungen folgen?
Klar. Gestellt werden sie aber vorab in der Stadt und Agglomeration, und dies nicht erst seit Corona.
Wieso nicht auch in ländlichen Gebieten? Das Velofahren über Land ist doch oft nicht ungefährlicher als in der Stadt.
Ja. Hier muss aber erst einmal Velo gefahren werden, und das geschieht nur, wenn selbiges auch sicher ist. Im Zentrum von Hochdorf beispielsweise ist das überhaupt nicht der Fall. Ich bin selbst ein geübter Velofahrer – umso weniger möchte ich das, was ich bei uns oft erlebe, einem Schulkind oder einer Mutter mit Kinderanhänger zumuten.
Was erleben Sie als Velofahrer?
Auf der Hauptstrasse sehe ich mich zwischen parkierenden und drängelnden Autos einklemmt, auf der Sempach- oder Industriestrasse werde ich haarsträubend überholt, eine sichere Ost-West-Verbindung fürs Velo ist noch nicht einmal eine Vision. Festzuhalten ist indes: Das alles ist nicht hochdorf-, sondern landgemeinden-typisch. Und kommt natürlich auch in der Stadt vielfach vor.
Was könnte das Velofahren auch in Hochdorf und im Seetal attraktiver machen?
Die Politik sollte sich für den Veloverkehr gleichermassen stark machen wie für den motorisierten Verkehr. Es ist richtig, dass der Gemeinderat Hochdorf jetzt mit dem Freiraumkonzept die Umgestaltung des Zentrums vorantreibt und nicht wartet, bis irgendwann – oder gar nie – eine Südumfahrung gebaut wird. Zu hoffen ist, dass mit der Umsetzung auch Anpassungen an der Hauptstrasse einhergehen. Das Feilschen um einige Parkplätze bringt uns nicht voran; zielführender ist es, Betroffene für neue Sichtweisen und Lösungen zu gewinnen.
Haben sie einen Vorschlag? Eine Gemeinde könnte zum Beispiel motivieren mit einer Kampagne wie «Hofdere fahrt Velo». Oder: Eine Informationstafel wäre der erste und günstigste Schritt, den Bahnhof Hochdorf zum geplanten Mobilitätszentrum zu machen.