Wie der Velokunde zum Velohändler findet – oder eben nicht

Fabio Blasi hat die Online-Plattform bycicletta.com ins Netz gestellt, die zwischen Velokäufern und -händlern vermitteln will. Das Modell ist eigentlich ein Weckruf an letztere, den Online-Markt selbst besser zu bewirtschaften.

Wie kauft man ein Velo? Manche sind damit zufrieden, was ihnen ihr Händler empfiehlt oder der nächste Fachmarkt bietet. Viele werden übers Internet fündig oder aber sind nach stundenlangem Surfen ratlos. So erging es Fabio Blasi, als er diesen Sommer ein Elektrovelo suchte, aber nicht wusste, welche Modelle auf dem Markt sind. «Als ich zwei Modelle gefunden hatte, wollte ich die natürlich Probe fahren», berichtet der Informatiker aus Horgen. Er fand aber nicht ohne erheblichen Aufwand heraus, welche Händler in seiner Umgebung die gesuchten Velos anbieten. Anderseits hätte er diese in vielen Onlineshops direkt kaufen können. «Doch will man wirklich ein Elektrovelo kaufen, ohne es vorher gefahren zu haben? Eher nicht.» Fabio Blasi fand über die Händlerlisten der Marken schliesslich einen Anbieter in der Nähe der deutschen Grenze – «nach etlichen Emails».

Fachberatung übers Internet finden
Ein «ziemlich aufwändiger und nicht-digitalisierter Prozess», wie er findet. Blasi beschloss deshalb, Käufer und Händler über das Internet miteinander zu verbinden. Seine Idee: Käufer/Benutzer sollten die Vorteile des Web nutzen können, ohne auf die Fachberatung der Händler verzichten zu müssen. Dazu hat er vor einigen Wochen die Plattform bycicletta.com ins Netz. (In Klammern: Italienisch heisst «Velo» bicicletta, Blasis falsche Schreibweise hat sich mir noch nicht erschlossen.)

bycicletta.com funktioniert so:

  • Der Benutzer/die Benutzerin erstellt eine Anfrage (Beratung, Probefahrt, Service, in Zukunft auch anderes wie Zubehör möglich).
  • Die Anfrage wird an alle registrierten Händler geschickt, die sich in der gewünschten Umgebung befinden.
  • Der Händler beantwortet bei Interesse die Anfrage und kann mit dem Benutzer chatten.
  • Händler und Benutzer können z.B. Details klären und Termin vereinbaren.  «Das, was ich eigentlich über dutzende Emails gemacht habe», erklärt Fabio Blasi.

Finanziert wird die Plattform gemäss Blasi über ein Freemium-Modell. Das  heisst: Händler können eine Anzahl an Anfragen kostenlos  beantworten, danach müssen sie Credits kaufen, um weitere Anfragen zu beantworten. Ausserdem seien verschiedene Zusatzservices für Händler und eventuell auf Benutzer vorgesehen, die kostenpflichtig wären.

Google gut zu erziehen hilft mehr

Dieses Kaufbegleit-Modell leuchtet auf den ersten Blick ein. Bei näherem Hinschauen jedoch weniger. Fabio Blasi hat das Modell bereits früher mit einem Geschäftspartner für den Gebrauchtwagen-Markt ausprobiert, jedoch ohne Erfolg (die damalige Webadresse www.auto-kaufbegleiter.ch ist wieder verfügbar). Ob er damit beim Velo Erfolg hat, ist für den Branchenexperten Urs Rosenbaum (Winterthur) zweifelhaft. Rosenbaum hat im August den ersten «dynaMot Marktreport zum Schweizer Velohandel» veröffentlicht. Seine Kritik ist zugleich eine Empfehlung an die Branche: «Vielleicht gut gemeint, aber ziemlich unnütz. Wenn ein Händler wirklich übers Netz mehr Kunden abholen will, dann soll er seine eigene Website so pflegen, dass mögliche Kunden über Google direkt zu ihm und zu seinem Angebot finden.»

Damit bringt Urs Rosenbaum auf den Punkt, woran viele Branchen kranken, die sich in zunehmender Konkurrenz zum Onlinehandel sehen. Sie sind im Internet schlicht nicht präsent. Oder zumindest ungenügend. Die kurzen Jahre, in denen es genügte, als lokaler Händler eine digitale Visitenkarte im Netz zu haben, sind längst vorbei. Ohne einigen (erheblichen) Aufwand in die Suchmaschinen-Optimierung und allenfalls auch das Suchmaschinen-Marketing geht digital unter, wer auf dem lokalen Markt nicht derart gut verankert ist, dass er davon leben kann. (Und wer ist das schon?)

Das heisst: Fabio Blasi suchte im Sommer – siehe oben – nach Modellen der Marken Kalkhoff und Orbea. Als er in der Suchmaschine diese Namen und die Begriffe «Probe fahren» und «Probe fahren» eingab, hätten auf der ersten Ergebnisseite Angebote von Händlern aus seiner Region aufscheinen sollen. Das wäre auch geschehen, hätten solche diese Schlüsselwörter in ihre Websites eingebaut und würden sie – noch besser – sogar bewerben. Dass der Velohandel solche, heute selbstverständliche Online-Kundenwerbung offensichtlich ungenügend betreibt, macht sich Fabio Blasi mit bycicletta.com zunutze.

Vor dem Bildschirm oder in der Werkstatt?

Die weitere Kritik von Urs Rosenbaum führt ins Detail. Für Velofahrer sei es «nahezu unnütz, wenn sie eine Anfrage ins Blaue raussenden müssen und keine sofortige Antwort haben», findet er. «Da kannst Du auch gleich auf Google Händler raussuchen und diese direkt mit deinem Anliegen anschreiben.» Genau dies freilich will Fabio Blasi den Kaufinteressierten ja ersparen. Anderseits: Händler, die bei bycicletta.com mitmachen, müssen eingehende Anfragen zeitnah beantworten können. Wer im Internet recherchiert, will nicht einen Tag auf Antwort warten. Die Zeit vor dem Bildschirm geht ihnen jedoch in der Werkstatt verloren. Da ist Abwägen gefragt.

Rosenbaum befürchtet zudem, Händler erhielten unter Umständen viele Anfragen angezeigt, die sie nicht interessieren. «Entsprechend gering wird die Erfolgsquote sein, denn wenn dann doch mal etwas interessantes für ein einzelnes Geschäft dabei ist, dann geht das garantiert unter.» Ein Einwand, den Blasi mittelfristig entkräften zu können hofft. Es sei geplant, dass Händler gewisse Angaben machen könnten, damit sie nicht immer benachrichtigt würden.

Fazit: bycicletta.com ist eine unternehmerische Antwort auf einen offensichtlichen Missstand, wenn es um den (Online-)Velokauf geht. Die Aufschaltung der Plattform ist hingegen ein Weckruf an die Velobranche. Und aber auch ein Hilferuf von deren Kundschaft.

 

 

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2 Kommentare

Zutreffender Kommentar, denke ich.
Es gibt auch noch eine ganz archaische Möglichkeit, falls das gewünschte Modell klar ist:
den Griff zum Telefonhörer.
Genauer: Anruf beim Hersteller oder Importeur.
Die wissen oft bei welchen (regionalen) Händlern sich „etwas dreht“ und gute Chancen auf ein Testmodell in passender Rahmenhöhe bestehen.
Aus guten Gründen per Telefon und nicht per E-Mail!

Vielen Dank für den Beitrag. Dazu habe ich noch einige Punkte:

1. Blasis falsche Schreibweise hat sich mir noch nicht erschlossen.
bycicletta ist eine Kombination zwischen dem englischen „by“ und dem italienischen bicicletta und soll „mit dem Fahrrad/Velo“ bedeuten.

2. Wenn ein Händler wirklich übers Netz mehr Kunden abholen will, dann soll er seine eigene Website so pflegen, dass mögliche Kunden über Google direkt zu ihm und zu seinem Angebot finden.
bycicletta.com hilft dem Händler die Kosten für eine Website in Griff zu behalten. Anstatt eine teuere Website mit Suchmaschinenoptimierung zu erstellen, kann er sich auf bycicletta.com registrieren und erreicht die gewünschte Zielgruppe ohne viel Aufwand

3. Für Velofahrer sei es «nahezu unnütz, wenn sie eine Anfrage ins Blaue raussenden müssen und keine sofortige Antwort haben»
bycicletta.com ist in der Anfangsphase. Das Ziel ist, dass Anfragen sehr zeitnah beantwortet werden können. Zurzeit sind ca. 22 Händler auf bycicletta.com registriert, wovon einige aus Deutschland und Österreich sind. Sobald viele Händler mitmachen, werden die Anfragen auch sehr schnell beantwortet.

bycicletta.com soll dem Velofahrer helfen, mehrere Händler zu finden, um auch verschiedene Angebote resp. Preise zu vergleichen. Wenn Händler eine Website haben und viel Geld in Suchmaschinenoptimierung und -marketing stecken können, bekommen Velofahrer nur diese Händler vorgeschlagen, die sich dies auch leisten können. bycicletta.com ist die Alternative dazu: kein Geld für eigene Website, kein Geld für Suchmaschinenoptimierung, kein Geld für Suchmaschinenmarketing und direkten Zugang zur gewünschten Zielgruppe.

Über Feedback, Anregungen und Ideen würden wir uns freuen.

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