Es sei «etwas faul im Staate Dänemark», lässt Shakespeare im «Hamlet» den Marcellus sagen. Das war ums Jahr 1600. Ob die Redewendung in irgendeiner Hinsicht noch zutrifft, kann der Velofahrer nicht ermessen. Er weiss nun aber: Hinsichtlich des Velocipeds sicher nicht. Nach den zwei Wochen, die er im Juli mit seiner Angetrauten im Inselstaat verbracht hat, gerät er vielmehr ins Schwärmen. Dänemark ist ein Velo-Wunderland. Es wundert ihn bloss, dass er unterwegs nicht mehr gleichgesinnt Gleichdenkende angetroffen hat.
Bequeme Reise mit dem Nachtzug
Unterwegs waren wir vom 14. bis 28. Juli. Der Genuss begann mit dem Einstieg in den Nachtzug in Basel, der uns in 16 Stunden bequem nach Kopenhagen brachte. Das mag lang erscheinen, ist aber zu relativieren: Der City Night Line hält mitten im Zentrum, und das Velo muss – wie im Flugzeug – weder verpackt noch zerlegt werden. Aussteigen, Satteltaschen einhängen – und los gehts. Auch preislich vermag diese Variante mitzuhalten: Wir haben pro Person rund 220 Franken bezahlt, weil wir sehr früh (ein halbes Jahr im Voraus) gebucht haben, Übernachtung im Sechser-Liegewagen, alles inbegriffen. (Nebenbei: Knapp 200 Franken hat uns die Hinterlegung der Generalabonnenemente während der zwei Wochen wieder eingebracht.)
Vortritt für das Velo
Auftakt und Finale in der dänischen Hauptstadt sind kein Muss, aber empfehlenswert. Wer gerne Velo fährt, muss Sightseeing per Pedalkraft in der Kopenhagen mal erleben. Nirgendwo sonst geniesst das Zweirad dergestalt Vortritt wie hier, wird die Veloförderung so konsequent umgesetzt.
Gewiss: Manche Velowege gleichen, mit Schweizer Massstab gemessen, Panzerpisten. Dafür lässt sich auch Hauptachsen entlang sicher gondeln, weil rechts und links davon zweispurige Velowege angelegt sind. Zweispurig deshalb, damit die Express-Radler überholen können. (Nebenbei: Das «Lüüti» ist neben der Bremse das wichtigste Velo-Attribut in Kopenhagen.) Welch erhabenes Gefühl es ist, inmitten eines Schwarms Velofahrender auf einer vielbefahrenen Kreuzung den Vortritt zu geniessen, hat die Berliner «tageszeigung» (taz) hier treffend beschrieben.
Die Er-Fahrung unbekannter Land-Schaften aus eigener Kraft genügt sich selbst als Ferienerlebnis. Sie lässt das Bedürfnis nach weiterer Zerstreuung, nach Konsum und Firlefanz, erst gar nicht aufkommen. Es macht vollends zufrieden, durch den Tag zu pedalen, da und dort innezuhalten, des Abends den Zeltplatz einzurichten, zu kochen, müde in den Schlafsack zu schlüpfen und sich am Morgen von den ersten Sonnenstrahlen wecken zu lassen.
In Dänemark sind viele nationale und regionale Routen ebenso genau ausgeschildert wie im «Veloland Schweiz». Wer die Augen offen hält, um auch die versteckten Tafeln zu erspähen, braucht also kaum auf die Karte zu gucken. Wir nahmen von Kopenhagen die Nummern 8 und 9 südwärts, gondelten gemütlich der Küste entlang und pausierten ein erstes Mal auf der Insel Mon, wo ein Abstecher zu den Kreidefels-Klippen unbedingt zu empfehlen ist. Die weitere Route führte via Falster und Lolland auf die langgestreckte Insel Langeland. Die dänische Ferieninsel schlechthin ist auch ein liebliches Veloparadies, das die Welt noch nicht entdeckt zu haben scheint. Es gibt ungezählte Möglichkeiten, Land- und Ortschaften zu erkunden, jede lässt vielbefahrene Hauptstrassen aus, und wo dies nicht möglich ist, haben die velofreundlichen Dänen bestimmt beidseits einen zweispurigen, abgetrennten Veloweg gebaut. Man kann und darf darob ins Schwärmen geraten!
Durch sanfte Wellentäler
Die Verbindungen führen oft durch flaches Land, zumeist aber wellen sich die Strässchen in die sanft gehügelte Landschaft, es geht mal rauf und dann aber schon bald wieder runter, der Wind bläst einem ins Gesicht, stupst nach der nächsten Wegbiegung von der Seite und stärkt nach der übernächsten den Rücken. Es kübelt mal aus dunklen Wolken, doch nach kurzer Zeit hat der Wind das Nass schon fortgeblasen und wir schwitzen bereits wieder. Lässt in der ersten Woche das Kühl die Farben besonders leuchtend erscheinen, schwitzen wir in der zweiten wie am Mittelmeer, sodass die kalte Ostsee doch noch zum Bade lädt.
Zwischendurch und am Schluss, weil die Zeit sonst nicht reichte, um nebst des Pedalierens auch ein paar Ruhe- und Genusstage einzuschalten, nehmen wir den Zug. Das geht bequem, die Preise sind mit jenen der SBB zu vergleichen, die Velomitnahme ist in Dänemark jedoch billiger.
Fazit: Zwei wunderbare Wochen, die (irgendwann) nach einer Fortsetzung rufen werden. Hoffentlich.
Karten: Der Dansk Cyklist Forbund (DCF) hat für alle dänischen Regionen Velokarten im Massstab 1:100‘000 herausgebracht. Sie sind zusammen mit einem Führer erhältlich, den es auch auf Deutsch gibt. Im Buchhandel zu bestellen oder, die sympathische Variante, die wir bevorzug haben, bei Reisebeginn direkt beim DCF kaufen, der seine Büros mitten in Kopenhagen hat (Rømersgade 5-7).
[button link=“https://www.velofahrer.ch/wp-content/uploads/2014/07/2014_04_velojournal_reise_daenemark.pdf“ color=“blue“]Bericht im «velojournal» vom Juli 2014 über diese Tour[/button]