Die gelben Mietvelos aus China, die sich in Schweizer Städten versamen, sind offenbar ein Problem. Die O-Bikes, wie sie heissen, stünden bloss herum, seien nichts wert und beanspruchten öffentlichen Grund, ohne dass die Verleihfirma dafür bezahle. Das mag alles sein.¹ In dem Trallala geht jedoch die Verhältnismässigkeit vergessen. Was zum Beispiel die Stadt Luzern betrifft, wo O-Bike 500 dieser gelben Eingänger platzieren will: Hier waren per Ende 2016 (akuellste Zahl) 37’166 Autos in Verkehr gesetzt. Hinzu kommen die Lieferwagen, Busse, Lastwagen und Motorräder. Diese Zahl ist innert zehn Jahren um fast genau 5000 gestiegen und entspricht gut 450 Autos auf 1000 Einwohnerinnen und Einwohner. Vom Durchgangs- und Suchverkehr ganz zu schweigen. Ausserdem: Auf einem Autoparkplatz haben etwa 12 Velos Platz. In einem Auto sitzt (steht…) meistens nur eine Person.
Darauf muss zumindest hingewiesen werden. Mit Blick auf Zürich, wo die Diskussion um den Raum, den das Velo einnehmen darf, jeweils gleich ein paar Grade höher kocht als hier, kommentiert etwa Franz Horvath auf Facebook: «Die meinen wohl die Autoschwemme, wegen der es gleich auffällt, wenn mal mal ein paar Velos mehr rumstehen.» Das trifft natürlich auch auf Luzern zu.
¹Ansonsten, erstens: Die Bikes der Singapurer Firma O-Bike sind – eher – Neuschrott, wie Pro Velo Zürich per Selbstversuch herausgefunden hat. Jedoch: Der Markt wird das regeln. Zweitens: Die Firma O-Bike will mit ihren Mietvelos Geld verdienen. Wenn sie dafür (teilweise) ungefragt öffentlichen Raum belegt, soll sie dafür auch bezahlen. Solche Velos dürften zudem nicht die Abstellplätze für gewöhnliche Velos blockieren. All dies ist zu regeln und aber nicht Gegenstand dieses Beitrags.
4 Kommentare
Wirklich problematisch ist aus meiner Sicht, das eigentliche Ziel dieser Verleihfirmen. Das Geld soll nicht durch die Vermietung verdient werden, sondern durch die Nutzerdaten. In einem Interview sagte jemand (weiss leider nicht mehr, von welcher Firma, und wo ich das gelesen hatte), dass es eben um die (anonymen) Nutzerdaten geht. Diese Bewegungsprofile können Geschäftsinhabern zur Verfügung gestellt werden, damit diese dann gezielter werben und Umsatz generieren können. Die Velos sind somit kein Neuschrott, sondern eine Investition, die nach der Nutzung abgeschrieben werden. Und darum muss sich dann niemand kümmern – ausser halt die, die den Schrott wegräumen dürfen.
Die Firma O-Bike erklärt im «Tages-Anzeiger» vom 18. August 2017, nicht an den Kundendaten interessiert zu sein. Diese Aussage nehme ich zur Kenntnis. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, was jemand mit den Angaben, wo ich in einer Stadt herumkurve, anfangen sollte. Zumal wir alle mit irgendwelchen Apps schon täglich ganz viele solche Spuren hinterlassen. So besehen, dünkt mich das Argument «Nutzerdaten» ohnehin kein schlagkräftiges. Wer dies beklagt, sollte sein Smartphone per sofort abschalten und jeden Cookie-Verkehr auf seinem PC unterbinden.
Dein Einwand, dass „wir“ sowieso überall Spuren hinterlassen, ist sicherlich richtig. Doch darum ging es mir nicht. Das bleibt jedem selber überlassen.
Ich frage mich – zugegeben als Laie – ob ein Veloverleih für Fr. 3.- die Stunde wirklich rentabel ist, wenn die ganzen Overheadkosten zu betrachten sind. Wartung, Reparatur, Neuanschaffungen, Personal etc. Da erscheint es mir durchaus pausibel, wenn die sowieso anfallenden Nutzerdaten gewinnbringend vermarktet werden – ist ja nicht so ungewöhnlich. Manch einer soll mit solchen Daten reich geworden sein.
Deine einzelne Kurverei ist sicher nicht so interessant. Als z.B. Besitzer eines Bistros könnte es mich jedoch interessieren, wenn an meinem Bistro eine bestimmte Personengruppe regelmässig vorbei kommt. Beispielsweise Touristen aus einem definierten Kulturkreis (Bayern oder Türkei oder Kanada oder …), denen ich ein massgeschneidertes Angebot machen kann. In Schaffhausen gibt es den Munot. Nehmen wir mal an, es stellt sich heraus, dass Touristen regelmässig diesen auf einer bestimmten Strecke erklimmen, dort ca 30 Minuten verweilen und dann wieder runterfahren. Ist ja problemlos anhand der Daten zu ermitteln. Mein Bistro liegt an dieser Strecke. Dann könnte ich denen vor dem Anstieg z.B. den „Munot-Bezwinger“ offerieren – irgendwas, was Energie gibt. Das steht auf der einen Seite eines Werbeständers. Auf der anderen Seite, für die, die abwärts fahren, gibt’s dann das „Munot-Gewölbe“ – weil das haben die Touristen vorher gesehen. Mit passender grafischer Gestaltung und vielleicht noch einem Gutschein, den man mit dem „Bezwinger“ bekommt, könnte sowas Erfolg haben. Ist nur eine grobe Idee, aber für die nötigen Daten wäre ich zumindest bereit, auch etwas zu zahlen.
Die anfallenden Nutzerdaten für solche Zwecke zu vermarkten, erscheint mir nicht völlig absurd. Und durchaus attraktiver, als so ein arbeits- und kostenintensiver Veloverleih. Der ist dann sozusagen mein Werkzeug, dass sich im besten Fall durch den Verleih selber finanziert. Und dieses Werkzeug „schmeisse“ ich dann halt wahllos in die Grossstädte und schaue mal, was passiert.
Ist natürlich alles nur graue Theorie und kann ganz anders sein. Doch wenn wirklich der Verleih das Zentrale ist und damit Gewinn erwirtschaftet werden soll, hätten die Firmen es besser anders angegangen. Meine jedenfalls ich.
Das stimmt und daraus liesse sich ein Geschäft machen. Mit sog. Beacons, winzigen Bluetooth-Sendern, deren Signale von modernen Smartphones im Umkreis von 30 Metern empfangen werden, kann personalisiert blitzschnell Werbung – vom Bistro-Beitreiber für eine «Munot-Bezwinger»-Aktion zum Beispiel – verschickt werden. Das ist überhaupt nicht graue Theorie. Und ich würde mich überhaupt nicht wundern, wenn die O-Bike-Leute und andere Veloverleiher ihre (unsere) Nutzerdaten entsprechend vermarkten würden.