Pataphysik oder: mehr Velo, dann Auto no Problem

Velofahren hat viel mit Physik zu tun. Das Umgekehrte lassen wir ebenfalls gelten. Aber Pataphysik? Nie gehört. Bis mir dieser Tage, auf irgend einem digitalen Umweg, das neue Programm eines gewissen «Pataphysischen Veloclubs / PVC»* zugetragen wurde. Dessen Mitglieder müssen ausdauernde Pedaleure sein. Denn zum Beispiel führt am Montag, 1. April (Ostermontag), die «8e Classique Odontologique» von Zürich nach Lausanne, via Luzern, Entlebuch, Schallenberg und Jaunpass, 250 km, 3000 Höhenmeter, Treffpunkt in Zürich HB mit Start um 6.40 Uhr. Am Pfingstwochenende sodann gehts in drei oder vier Tagen von Lausanne nach Paris (600 km); am 1. August schliesslich lädt der Club zur «2de Classique Patriotique» ein, welche von Basel nach Chiasso führt auf der Hauptstrasse Nummero Zwei, das sind etwa 320 km und 2500 Höhenmeter, Start in Basel punkt vier Uhr.

Was unter Pataphysik zu verstehen ist und was derlei martialische Touren damit zu tun haben, erklärte mir später Dres Balmer, der diese Rundmail an einen Freund von mir verschickt hatte. Die Pataphysik, beantwortete er meine Anfrage innert Stundenfrist, gehe zurück auf den französischen Schriftsteller und Velofahrer Alfred Jarry. Laut Jarry sei Pataphysik die „Wissenschaft dessen, was zur Metaphysik hinzukommt, sei es innerhalb oder ausserhalb ihrer selbst“. – Aha! – Dann, so fuhr Dres fort, sei «die Pataphysik auch die Suche nach imaginären Lösungen, indem man seine pataphysischen Phantasien umsetzt und zum Beispiel an einem Tag 350 Kilometer radelt, was man sich vorher nicht hat vorstellen können und erst im Nachhinein glaubt, dass es geht.»

Zuerst die Lösung, dann das Problem

Damit kommen wir der Sache bedeutend näher und wird dieselbe verständlicher. Googelt man ein bisschen zum Namen Alfred Jarry und zum Begriff Metaphysik, wird die Sache immer sympathischer, sodass man – der Velofahrer jedenfalls – am Ende zum Schluss kommt, es täte der Politik gut, die Welt dann und wann durch die pataphysische Brille zu betrachten. Sie, die Politik, könnte dadurch Probleme unversehens als das erkennen, was sie oft sind: vermeintliche, selbst gemachte und eigentlich längst gelöste. So jedenfalls verstehe ich die Pataphysik, wenn ich auf contextxxi.at (Nachtrag 2017: Link nicht mehr aktiv) die folgende schöne Erklärung dazu lese: Wenn die Welt ruhig betrachtet am verrücktesten, am brutalsten wirke, verwirrt, nur Probleme, aber keine Lösungen biete, biete die Pataphysik zwar «keine Erlösung, jedoch eine unendliche Anzahl von Lösungen an, da sie sich methodisch ausschließlich mit diesen beschäftigt, nach dem immer verträglichen und brutalen Motto: zuerst die Lösung, dann das Problem.»

Auf die Verkehrpolitik bezogen müsste dies heissen: Mehr Velo fahren, und mit jeder Kurbelumdrehung löste sich der Stau ein bisschen mehr auf. Folgten genug der motorisierte Klöner diesem Grundsatz, gäbe es am Ende nur noch die Lösung, jedoch kein Problem mehr.

Nun, das Leben wäre seit jeher grundsätzlich einfach. Hätte der Mensch nicht den Konjunktiv erfunden.

*Im PVC sei Jede, Jeder willkommen und stante pedale Mitglied, lässt Dres Balmer die Welt wissen. Eine Website hat der Club nicht.

P.S. Dres liefert mir heute, am 26. März 2013, folgenden schönen Nachsatz: Und noch ein Zitat zu den Problemen und deren Lösung, diesmal von Marcel Duchamp: «Il n’y a pas de solution, parce qu’il n’y a pas de problème.»

Das Bild zu diesem Beitrag stammt von der Website www.iwannabealfredjarry.me

Alfred Jarry? Nein, aber einer, der sein möchte wie dieser. (Bild: /www.iwannabealfredjarry.me)
Alfred Jarry? Nein, aber einer, der sein möchte wie dieser. (Bild: /www.iwannabealfredjarry.me)
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