Schwedische Elche knutschen keine Velofahrer

An der Hauptstrasse 169 erhaschen wir ihn im Gehölz. Einen Elch. Unseren Elch. Er beobachtet uns und wir ihn. Gebannt, zwanzig Minuten geht das so im stillen Austausch, bis das erhabene Tier sich davontrollt. Und wir wieder in die Pedale treten. Es ist der zweite Tag unserer Tour durch Südschweden, der Wind bläst uns in den Rücken quer durch die Insel Tjörn. Eine halbe Stunde später, als wir am Strassenrand Himbeeren pflücken, hält ein älterer Herr neben uns und bietet Hilfe an, die wir nicht benötigen. Wir erzählen ihm von der ungewöhnlichen Begegnung. Elche? Ja, es gebe hier welche. Aber nicht viele, meint er. «Und sie sind ein Problem für die Autofahrer.»

Nun, durch die Windschutzscheibe kann man die Sache natürlich so sehen. Wer einen goldenen Volvo fährt, lässt sich nicht gerne von einem Elch knutschen. Uns auf dem Velo freuen  derlei Begegnungen hingegegen. Wir grüssen Herrn Elch aus zehn Metern Distanz, er nickt uns freundlich zu; das kluge Tier weiss zwischen Freund und Feind zu unterscheiden.

Viel los. Und aber auch viel Ruhe

Südschweden, das wir dieses Jahr bereist haben, hält viel ungeahnte Kurzweil wie diese bereit. Zwischen Göteborg (Routenbeschreibung siehe Kasten am Ende) und Strömstad nahe der norwegischen Grenze eröffnet sich alle paar Kilometer ein neuer Blick auf irgendeinen Meeresarm und die felsige Küste, über Brücken oder mit einer Fähre gehts, hopphopp, zur nächsten Insel, ein hübscher Hafenort folgt auf den nächsten. Viel los ist hier in der Ferienzeit; es tuckert und dampft und segelt auf dem Wasser, doch leicht lässt sich, zumal auf dem Velo, dem Rummel entfliehen und die Natur in einem der zahlreichen Reservate bestaunen. Und die vielen niedlichen Cafés am Strassenrand: die entdeckt sowieso nicht, wer mit Tempo 80 unterwegs ist.

Erstaunlich, dass uns da nicht mehr Geichgesinnte begegnen, obwohl doch unsere Tour sich in etwa mit dem Nordseeküsten-Radweg deckt. Vielleicht liegts daran, dass etliche Kilometer entlang grosser Strassen unvermeidlich sind und es wenig abgetrennte Radwege gibt. Doch die vielen ruhigen Stunden abseits entschädigen dafür. Und die schwedischen Autofahrer sind spürbar gemächlicher unterwegs als hierzulande. Sie brummen oft lange hinter uns her und setzen erst dann zum Überholen an, wenn sie wirklich freie Sicht haben.

Um fünf ists um diese Jahreszeit schon taghell und wirklich dunkel erst um elf Uhr. Die Tage sind lang, der Wind pfeift uns um die Ohren und die Sonne wärmt in diesen zwei Wochen angenehm. Sie spielt aber auch gerne Verstecken hinter den Wolken, weshalb wir den Faserpelz stets griffbereit halten. Und abends gerne noch eine weitere Schicht überziehen. Derweil die dickhäutigen Schwedinnen und Schweden gerne auch nach Sonnenuntergang noch kurzbehost und -ärmlig promenieren.

Schwimmen. Und Aufwärmen in der Sauna

Mit Baden in der Nordsee ists deshalb wenig bis nichts. Wiewohl das Wasser 20 Grad warm sei, wie uns eine Frau versichert. Wir sind eben erst aus dem Zelt gekrochen, das wir hier versteckt hinter Felsen aufgestellt hatten, sie hat sich mit Kolleginnen zum Frühschwimmen getroffen. Der Wind ist’s, der unsereins vom Mitmachen abhält. Die Frau versteht uns. Und meint aber: «Einfach rein. Dann gehts.» Am Vorabend konnten die Kinder aus dem Dorf bis Sonnenuntergang nicht genug kriegen vom Reinspringen. Die Hütte, in der sie zwischendurch verschwanden, erkannten wir später als Sauna. Aha!

Wir ziehen weiter und lassen uns treiben. Regen erleben wir nur in der Nacht, dafür aber heftig. Und am letzten Tag, als wir in Strömstad in den Zug steigt, der uns zurück nach Göteborg bringt.

[blue_box]Tour und Anreise: Unterwegs waren wir vom 22. Juli bis 10. August. Anreise mit dem Nachtzug von Basel nach Hamburg, , weiter mit dem Zug nach Kiel (ca. 1 1/4 Stunden) und ab hier mit der Fähre nach Göteborg (frühzeitig buchen; Kabinenzwang). Die Überfahrt beginnt in beide Richtungen um ca. 19 Uhr und dauert 14 Stunden. Ab Göteborg folgten wir mehr oder weniger der Küste bis Strömstad nahe der Grenze zu Norwegen. Die Stationen: Marstrand, Almön (Nordwesten der Insel Tjörn), Stocken (bei Ellös, Insel Orust), Lysekil, Hunnebostrand, Kämpersvik (nördlich von Fjällbacka), Längeby (nördlich von Grebbestad), Insel Tjärnö (bei Strömstad), von hier aus Besuch der Kosterinseln. Rückreise mit dem Zug ab Strömstad bis Göteborg; Velomitnahme ist in Schwedischen Zügen zwar grundsätzlich nicht erlaubt, der Betreiber Vaesttrafjk erlaubt es aber auf dieser Strecke. Ab Göteborg wieder zurück mit Fähre und Zug. – Alternative: Bis Oslo weiterfahren (150 km) und von hier mit der Fähre zurück nach Kiel oder Fähre von Strömstad nach Sandefjord nehmen, mit dem Velo weiter nach Oslo fahren (120 km) und zur Fähre nach Kiel. [/blue_box] [blue_box]Kartenmaterial: Beim Verlag Cykelkartan gibts für ganz Südschweden ausgezeichnete Velokarten im Massstab 1:90’000. Du kannst Sie hier online bestellen; für die beschriebene Tour benötigst Du die Blätter Nr. 12, 17 und 20.[/blue_box]
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4 Kommentare

Prima geschriebener Bericht und tolle Fotos die Lust auf mehr machen. Klasse! Dadurch bekommt man wieder neue Anregungen. Ich war übrigens diesen Sommer in Dänemark unterwegs, teilweise ebenfalls auf dem Nordseeküstenradweg. Bei Lust und Laune schau doch mal auf meinem Blog vorbei!

Gruß,

bikingtom

Hallo Tom, danke fürs Kompliment, freut mich! Die Tour war/ist wirklich toll, und sie lässt sich beliebig variieren. Schön ist, dass die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut möglich ist. Dänemark: Ist natürlich, nebst Holland, das Veloparadies schlechthin – schön, dass Du dort Kilometer abstrampeln konntest und darüber geschrieben hast. Wir waren vor vier Jahren dort, hier kannst Du darüber lesen.

Gruss, Dominik

Lieber Velofahrer
Wie bewährtsich dein neues Velo? Ich freue mich schon lange auf deinen Bericht, vor allem betreffs Antriebs-System (Getriebe, Keilriemen).
Lieber Gruss
Nique

Lieber Nique, das neue Velo bewährt sich ausgezeichnet, ich wünsch‘ mir nix anderes mehr! Ich sollte wirklich mal in diesem Blog Bilanz ziehen, werd‘ ich nächstens machen. Immerhin bin ich bis jetzt fast 9000 km gefahren.

E Gruess, Dominik

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