Im März 1995, als der Kanton das neue Radroutenkonzept vorlegte, titelte die «Luzerner Neuste Nachrichten»: «Politiker sollen Velo fahren lernen». Cyrill Wiget, damals Präsident der IG Velo (heute Pro Velo), kritisierte in dem Beitrag und also schon vor bald 30 Jahren, der Veloplanung fehle es an einer Gesamtschau und sie sei zeitlich unverbindlich. Wiget ortete eine Ursache darin, dass die «mehrheitlich autofahrenden Politiker und Planer das Velo immer noch lediglich als Begleiterscheinung im Strassenverkehr» betrachteten.
Im September 2017 stellte Kantonsrätin Monique Frey (Emmen) in einer Anfrage an die Regierung fest, das heutige Velonetz im Kanton Luzern sei «bruchstückhaft, oft unterbrochen und ein Mischmasch aus Velowegen, Velostreifen» und genüge den heutigen Bedürfnissen nicht. In ihrer Antwort lehnte es die Regierung jedoch ab, das Radroutenkonzept (es war 2009 überarbeitet worden) anzupassen. Dies wäre «mit hohem finanziellem und personellem Aufwand verbunden», argumentierte sie.
«Attraktiv und sicher»
Jetzt bekommt das Velo gleichwohl Rückenwind. Sanften. Aber immerhin. Ende September teilte der Kanton mit, zurzeit werde ein neues Velokonzept erarbeitet, das bis Ende 2024 vorliegen solle. (*) Ziel sei «ein attraktives, zusammenhängendes, durchgängiges und sicheres Velowegnetz im ganzen Kanton», heisst es in einer Medienmitteilung. Und: «Attraktive, sichere, zusammenhängende und durchgängige Velowege» schafften Anreize und seien «entscheidend, um den Anteil des Veloverkehrs zu erhöhen». Inzwischen hat der Kanton, wie in der Mitteilung weiter zu lesen ist, eine «Fachstelle für den Fuss- und Veloverkehr» mit zwei Mitarbeitenden geschaffen.
Erste Aufgabe der Fachstelle sei «die umfassende Überarbeitung der strategischen Grundlagen der kantonalen Veloplanung», schreibt der Kanton sodann in schönstem Amtsdeutsch. Der Begriff «Strategie» kommt zwei Abschnitte weiter unten abermals vor. Hier heisst es: «Mit Zielbild und Masterplan Velo 2035 soll eine strategische Grundlage für den Ausbau der Veloinfrastruktur der nächsten 10 bis 15 Jahre erarbeitet werden.»
Eine Strategie – und aber auch Massnahmen
Solche Sätze stellen die Geduld der Velofahrenden gehörig auf die Probe. Sie hoffen indes, dass – Zitate Medienmitteilung – in den «breit abgestützten Prozess», der «die notwendige Vernetzung innerhalb der Verwaltung und den Einbezug verschiedener Anspruchsgruppen» sicherstelle, auch jene Personen einbezogen werden, die politisch entscheiden. Darüber, wie viel Platz dem Velo künftig bei der Aufteilung des Strassenraums eingeräumt werden soll. Auf dass aus der Strategie alsbald Massnahmen abgeleitet und umgesetzt werden. (In Klammern und mit Bezug zum ersten Abschnitt dieses Beitrags: Die Velofahrkurse der Pro Velo stehen auch Politikerinnen und Politikern offen.)
Der Kanton setzt velomässig also noch nicht zum Endspurt ab, aber er holt auf. Dies tut er allerdings auch unter dem Druck des neuen Veloweggesetzes des Bundes, das am 1. Januar 2023 in Kraft tritt. Dieses Gesetz verpflichtet die Kantone, Velowege verbindlich zu planen und für ein zusammenhängendes, durchgehendes, attraktives und sicheres Velowegnetz zu sorgen.
Idealerweise tun sie dies in gegenseitiger Absprache. Der Verkehrsclub der Schweiz (VCS) forderte dazu vor einem Jahr einen nationalen Velo-Masterplan, der mindestens folgende vier Punkte umfassen solle (Zitat):
- Erstens eine Zielsetzung, wie sich der Anteil des Velos am Gesamtverkehr entwickeln soll.
- Zweitens eine Strategie zur Förderung des Veloverkehrs.
- Drittens eine verstärkte Unfallforschung.
- Viertens ein Konzept zu Verbesserung von Aus- und Weiterbildung in den Bereichen Fuss- und Veloverkehr für angehende Verkehrsingenieurinnen und -ingenieure.
(*) Das zeitliche Vorgehen beschreibt der Kanton in seiner Medienmitteilung wie folgt: Auf der Grundlage der Analyse-Ergebnisse wird in einem nächsten Schritt bis im Sommer 2023 das Zielbild Velo 2035 erarbeitet. Anschliessend folgen die Arbeiten am Kernstück: dem Masterplan Velo. Dieser beinhaltet den neuen kantonalen Velonetzplan, einen Massnahmenplan und eine Massnahmenliste sowie Standards für Fuss- und Veloverkehr. Abschliessend gilt es den Masterplan in das vorgesehene Programm Gesamtmobilität des Kantons Luzern zu integrieren, die notwendigen Gesetzesanpassungen zu formulieren und Hilfsmittel und Angebote für die kommunale Veloplanung zu entwickeln. Die Arbeiten zum kantonalen Velokonzept können voraussichtlich Ende 2024 abgeschlossen werden.