Ein Jahr im Sattel, heute im Gedenken an Herrn Drais

Ein bisschen, find‘ ich, ist es schade und auch widersprüchlich, dass dieses Buch Karl Friedrich Drais,  den Erfinder der Laufmaschine, Vorläuferin des Fahrrads, an seinem Todestag würdigt, dem (heutigen) 10. Dezember, und nicht am Geburtstag, dem 29. April. War der Verblichene doch mit seiner Konstruktion recht eigentlich der Vorfahrer des späteren Fahrrads, des schönsten und genialsten aller Fortbewegungsmittel, was in diesem Jahr zu feiern war und auch gefeiert wurde, denn am 12. Juni 1817, vor 200 Jahren also, hatte Karl Drais (1785-1851) mit seiner Laufmaschine in Mannheim die erste Probefahrt unternommen. Über die velocipedistische Entwicklung, die danach einsetzte, gibt es inzwischen Bibliotheken und Museen; ohne die Drais’sche Wegmarke von 1817 wäre aber womöglich dieses Buch nicht entstanden. Dabei möchten wir ebendieses herzlich als Weihnachtsgabe empfehlen.

Dieses Buch, das sind «365 Geschichten aus der Welt des Radsports», die der Radsportjournalist Giles Belbin unter dem Titel «Ein Jahr im Sattel» zusammengetragen hat; ein Band, den ich erst jetzt entdeckt habe, wiewohl er schon 2016 erschien, ein Jahr nach der englische Originalausgabe. Der Abgesang darin auf Meister Drais statt eines Lobgesangs auf dessen Geburt verkommt angesichts des auf 352 Seiten gesammelten «faszinierendes Gemenges aus packenden sportlichen Momenten, langen und begeisternden Aufholjagden und einer grossen Zahl an Helden, Idolen und Legenden» (Verlagswerbung) allerdings zu einer vernachlässigbaren Stillosigkeit.

Nützes und unnützes Wissen

Was der Radsportler von besagtem Gemenge wissen muss, ist eine Frage des Charakters. Der Trainingsfleissige wird sich jeden Tag vorm Frühstück die Tagesnotiz verinnerlichen und so auf der Passfahrt mit Kollege Kuno am 21. Juni mit der Beiläufigkeit bluffen können, an diesem Tag, 1974, habe Eddy Merckx die Tour de Suisse gewonnen. Der Gelegenheitspedalierer wiederum wird «Ein Jahr im Sattel» dann und wann zur Hand nehmen, darin blättern und sich wundern, welche Fülle unnützen Wissens auch der Radsport produziert. So hat Roger de Vlaeminck, unter anderem, an einem meiner Geburtstage, am 8. März 1972, Mailand-Turin gewonnen, selbiges Ereignis hat freilich in meinem Leben keinerlei Spuren hinterlassen. (In Klammern: Wichtiger ist mir, dass Marie-Theres Nadig den 8. März mit mir teilt, aber diese Person, neun Jahre älter als ich,  kennt von der Jungmannschaft niemand mehr; und ohnehin, ich schweife ab.)

Der Fahrfaule schliesslich ordnet das «Jahr im Sattel» ins Bücherregal ein und lässt es dabei bewenden. Immerhin, beziehungsweise hoffentlich aber, wird er es von Zeit zu Zeit hervornehmen, sein Gewicht und das feste Papier in den Händen gerne spüren und sich an der gepflegten Aufmachung freuen. Dazu tragen insbesondere die ausdrucksstarken Zeichnungen von Daniel Seex bei.

Bücher mit langweilenden Kilometerschilderungen habe ich schon verschenkt. «Ein Jahr im Sattel» ist einer der Bände, die meine weitere Lebenstour mitmachen und begleiten werden.

[blue_box]Giles Belbin, «Ein Jahr im Sattel; 365 Geschichten aus der Welt des Radsports», mit 115 farbigen Illustrationen von Daniel Seex, übersetzt von Klaus Bartelt, 352 Seiten, gebunden, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2016, ISBN-13 978-3-7725-2821-7, ca. Fr. 28.-. Original-Titel: A Year in the Saddle, Aurum Press, London[/blue_box]
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