Vergangenen Herbst (jährlicher Stichtag des Bundesamts für Statistik: 30. September) verkehrten in der Schweiz 5,7 Millionen Motofahrzeuge. Davon waren 4,3 Millionen Autos. Fünf Jahre zuvor waren es 5,2 Millionen Motorfahrzeuge gewesen, wovon 4 Millionen Autos, zehn Jahre zuvor 4,9 Millionen Motorfahrzeuge, davon 3,7 Millionen Autos. Das ergibt eine Zunahme von 8.5 Prozent in fünf bzw. 14 Prozent in zehn Jahren. Kein Wunder, wird es eng und enger auf unseren Strassen. Die Verkehrsteilnehmer streiten um Platz und Geld. Die motorisierten laut(er), derweil die Fussgänger und Velofahrer strampeln, auf dass sie nicht unter die Räder geraten.
Klartext reden
Dass der Verbund der Motorisierten und Wachstumsfokussierten keinerlei Ursache für das Gedränge bei sich selbst sieht, erstaunt ja nicht. Dass hingegen die Vertreterinnen und Vertreter des Langsamverkehrs – die Velolobby namentlich – das Übel nicht benennen, hingegen schon. Gewiss: Auch in der Verkehrspolitik ist am Ende der Kompromiss der gangbare Weg. Und manche Partner in dem Spiel – in Sachen Auto: viele – reagieren gereizt, wenn man ihnen auf die Füsse (auf die Bremse) tritt. Doch bei aller Diplomatie: Mir täte es gut, von den Velofreundlichen in der Politik und unseren Verbandsspitzen (Pro Velo, VCS) mal Klartext zu vernehmen: Dass wir zu viel auf vier Rädern unterwegs sind und deshalb vor lauter Verkehr kaum mehr mobil. Dass es nicht sein kann, unsere Strassen fortlaufend dem aktuellen (beziehungsweise steigenden) Verkehrsvolumen anzupassen, sondern umgekehrt dieses der Verträglichkeit durch die Bewohnerinnen und Bewohner. Punkt.
Das wäre einfach einmal ehrlich. Solche Sätze würde ich gerne hören. Dann würde ich sanftere wie jenen von Pro-Velo-Präsident Jean-François Steiert im jüngsten «Velojournal» besser ertragen. Steiert sagt dort, auf seine Prognosen fürs Jahr 2025 angesprochen: «Ich sehe eine Schweiz, in der mittels Raumplanung, Verkehr und gesundheitlicher Aspekte der Langsamverkehr effizient gefördert wird. Als Nebeneffekt wird der Autoverkehr zurückgehen. Und zwar nicht, weil man ihn schlechtmacht, sondern weil es lustvolle Alternativen dazu gibt.»
Utopien
Gewiss: Nationalrat Steiert hat recht und ich danke ihm für sein Engagement fürs unsere Sache. Aber die Velopolitik müsste nicht immer so brav sein. Zu oft überlässt sie die Schlagzeilen der motorisierten Zunft, selbst auf lokaler Ebene. Zum Beispiel schlug der Krienser Gewerbeverband im vergangenen Dezember allen Ernstes einen Tunnel vom Obernau bis zum Krienser Zentrum vor, um so die Obernauerstrasse zu entlasten. «Damit würde das Zentrum sehr entlastet», zeigte sich Vizepräsident Patrick Müller in der «Neuen Luzerner Zeitung» überzeugt. Aha: Ein Tunnel, der ins Zentrum führt, entlastet dieses vom Verkehr. Überaus logisch. Im aktuellen «Velinfo» (!), der Beilage der Pro Velo Luzern zum «Velojournal», durfte der grünliberale Einwohnerrat Pascal Meyer nachdoppeln. Er gibt sich zwar durchaus velofreundlich, vertritt am Schluss seines Meinungsbeitrags aber die gleiche Utopie: Eine durchgehende öV-Spur, schreibt Meyer, sei realisierbar, in dem der motorisierte Individualverkehr teilweise unter den Boden oder der öV in die Luft (Hochbahn wie zum Beispiel in Hamburg) käme. «Nicht Ideologie, sondern reiner, vielleicht etwas visionärerer Pragmatismus», führe zu einer Lösung. Einverstanden, Pascal Meyer, wobei der einfachste und günstigste Pragmatismus darin bestünde, den eigenen Autogebrauch zu hinterfragen. Darunter leidet weder die eigene Lebensqualität noch die Wirtschaft. Lediglich Gewohnheiten und Bequemlichkeit sind zu hinterfragen. Und an die Adresse der Politik gilt, was der grüne Krienser Kantonsrat Michael Töngi in seinem Blog schreibt: «Hat man Angst, dass Kriens inklusive Entwicklungsgebiet Mattenhof im Verkehr erstickt, so braucht es mehr öffentlichen Verkehr, bessere Velorouten und vor allem braucht es eine Politik, die nicht noch mehr verkehrsintensive Betriebe in diesen Gebieten zulässt.»
Mobilität beginnt im Kopf
Damit bin ich abgeschweift. Aber irgendwie hängt alles miteinander zusammen. Und fängt die Lösung, wie so oft, bei sich selbst an. Oder, wie das «Velojournal» seinen Bericht über den 9. Eco-Naturkongress in Basel betitelt: «Mobilität beginnt im Kopf». Das darf man ruhig laut sagen.
Das obige Bild ist am Freitag Abend, 28. März 2014, am Schwanenplatz in Luzern entstanden.
1 Kommentar
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