Die Velovignette wieder einführen? Die Zweiradfahrer an Bauten beteiligen, die ihnen zugute kommen? Der Basler Nationalrat Markus Lehmann hat im Juni in einem Vorstoss dem Bundesrat diese und weitere Fragen gestellt und damit einiges Medienecho eingelöst. Lehmann hatte darin den Begriff «Velolittering» geprägt. Er stelle «in den Städten und grösseren Agglomerationen eine Zunahme von wild abgestellten Fahrrädern fest», die «nicht nur ein unschönes Bild» abgäben, sonn auch zum Diebstahl einladen würden.
Inzwischen hat der Bundesrat Lehmanns Interpellation beantwortet. Zusammenfassend: Die – a) – Vignette wieder einzuführen, stünde für ihn « in keinem Verhältnis zum erhofften Nutzen», eine – b) – schweizweite «Veloabgabe» bedingte eine Verfassungsänderung, und – c) – die gelben Kontrollschilder von Elektrovelos könnten heute schon von Radargeräten erfasst werden. Was nicht der Ironie entbehrt, sind die dann folgenden Sätze: Selbstverständlich müssten auch die Fahrer dieser Fahrzeuge die Geschwindigkeitsvorschriften einhalten. «Da sie aber keinen Geschwindigkeitsmesser benötigen, kann ihren Lenkern keine kilometergenaue Überschreitung der erlaubten Geschwindigkeit vorgeworfen werden.»
Den Begriff «Velolittering» sodann vermeidet der Bundesrat; er spricht dagegen in schönstem Amtsdeutsch von «übermässig gesteigertem Gemeingebrauch (öffentlichen Grundes) durch Fahrräder». «Gemeindeorgane» könnten diesen Grund besser bewirtschaften, indem sie herrenlose Zweiräder abräumten. (Nun, erstens geschieht dies heute schon, zweitens hätte der Bundesrat besser empfohlen, Städte und Gemeinden sollten doch mehr, grössere und besser gesicherte Veloabstellmöglichkeiten zur Verfügung stellen. Zum Beispiel jeden zehnten Autoparkplatz in einen Veloabstellplatz umzubauen, könnte noch manchen zum Umsteigen bewegen.)
Schliesslich aber, und dafür muss man als Velofahrer dem Bundesrat dankbar sein, räumt dieser mit dem Vorurteil auf, unsereins profitiere nur von schönen Velowegen und teuren Übergängen, die man für uns baue, und wir, also die Velofahrer, bezahlten nichts daran.
Falsch, heisst es dazu in der Antwort auf Lehmanns Vorstoss: Der Veloverkehr findet hauptsächlich auf Gemeinde- und Kantonsstrassen statt, die weitgehend aus allgemeinen Steuereinnahmen finanziert würden. «Damit tragen die Velofahrenden, wie alle anderen Verkehrsteilnehmenden auch, mit ihren Steuern bereits heute zur Finanzierung der von ihnen benützten kantonalen und kommunalen Infrastrukturen bei.» (Das musste wieder einmal gesagt sein.)
Eine «Velogebühr» schliesst der Bundesrat freilich nicht aus. Eine solche läge aber in der Kompetenz der Kantone und Gemeinden.
Die Antwort des Bundesrats vom 13. August 2014 im Wortlaut:
- Fahrradregister wurden nicht erst mit der Velovignette abgeschafft, sondern bereits beim Wechsel vom Fahrradkennzeichen aus Metall zur Klebevignette im Jahre 1990. Mit der Velovignette konnte einzig die deckungspflichtige Haftpflichtversicherungsgesellschaft eruiert werden, nicht aber der Fahrradeigentümer. Die Einführung von Velokennzeichen oder -schildern zur Identifizierung des Eigentümers würde die Schaffung eines Fahrradeigentümer-Registers bedingen. Dazu müssten die gesetzlichen Grundlagen auf Stufe Bundesgesetz geschaffen werden. Die Erfassung von rund 4 Millionen Fahrrädern und ihren Eigentümern sowie die anschliessende Pflege der Mutationen in dieser Datenbank hätten einen enormen Informatik- und Verwaltungsaufwand zur Folge. Dieser dürfte in keinem Verhältnis zum erhofften Nutzen stehen.Da die Problematik ohnehin auf die eher grösseren Städte beschränkt ist, sollten Lösungen auf Gemeindeebene gesucht werden. Ein Ansatz wäre die bessere Bewirtschaftung des öffentlichen Grundes, indem der übermässig gesteigerte Gemeingebrauch durch Fahrräder mittels eines Gemeindereglements eingeschränkt würde. Gemeindeorgane könnten so Fahrräder, die «herrenlos» auf öffentlichem Grund abgestellt sind, abräumen und verwerten oder entsorgen.
- Die Kantone haben grundsätzlich das Recht, Fahrzeuge zu besteuern und Gebühren zu erheben (Art. 105 Abs. 1 des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1958, SVG; SR 741.01). Die Erträge können im Rahmen der kantonalen Ordnung auch für die Finanzierung von Veloinfrastrukturen eingesetzt werden. Eine schweizweit erhobene Veloabgabe und deren anteilmässige Verwendung für Veloinfrastrukturen, vorab bei Kantons- und Gemeindestrassen, würde hingegen eine Verfassungsänderung erfordern.
- Schnelle E-Bikes mit einer Tretunterstützung zwischen 26 und 45 Stundenkilometern sind den Motorfahrrädern gleichgestellt und tragen auch ein Motorfahrradkontrollschild. Dieses kann von Geschwindigkeitsmessanlagen erfasst werden. Selbstverständlich müssen auch die Fahrer dieser Fahrzeuge die Geschwindigkeitsvorschriften einhalten. Da sie aber keinen Geschwindigkeitsmesser benötigen, kann ihren Lenkern keine kilometergenaue Überschreitung der erlaubten Geschwindigkeit vorgeworfen werden. Bei klaren Widerhandlungen können sie indessen wegen nicht angepasster Geschwindigkeit zur Rechenschaft gezogen werden.
- Der Veloverkehr findet hauptsächlich auf Gemeinde- und Kantonsstrassen statt. Gemeindestrassen werden vorwiegend aus allgemeinen Steuereinnahmen finanziert, Kantonsstrassen zumindest teilweise. Damit tragen die Velofahrenden, wie alle anderen Verkehrsteilnehmenden auch, mit ihren Steuern bereits heute zur Finanzierung der von ihnen benützten kantonalen und kommunalen Infrastrukturen bei. Die Einführung einer über die allgemeine Strassenfinanzierung hinaus gehenden Beteiligung der Benutzer an den Kosten für grössere, ausschliesslich dem Veloverkehr dienende Infrastrukturen wie z. B. Velostationen, Velobrücken oder Velobahnen (eine «Velogebühr») ist nicht ausgeschlossen, liegt aber in der Regelungskompetenz der Kantone, allenfalls der Gemeinden.