Velofahrers Platzda und Autofahrers Platzangst

Als Velofahrer ist man es sich gewohnt, angefeindet zu werden. Die Vierrädrigen neiden uns die Freiheit. Platzda stösst auf Platzangst. Und die Politik behandelt einen als Randerscheinung, die man unter den Helm zwingen will, weil wir in der motorisierten Mitte auf den Kopf fallen könnten. Ein paar Beispiele dazu aus den vergangenen Wochen.

Am 22. Juli kündigte Pro Velo Luzern an, eine Volksinitiative in der Stadt Luzern zu lancieren, die ein Netz von Velobahnen verlangt. Ziel: Zehn Jahre nach Annahme der Initiative mindestens 20 Kilometer solcher Verbindungen in der Stadt Luzern.

Pro Velo erklärte: «Velofahren boomt. Die Velofahrenden möchten sorglos unterwegs sein, bequem und gefahrlos. Die aktuellen Verhältnisse auf den Strassen lassen dies nicht zu.» Die Gegnerschaft meldete sich umgehend. Zwei Beispiele aus der Facebook-Seite der «Luzerner Zeitung»: «Die Autofahrer bezahlen ein Vielfaches mehr und finanzieren den ganzen Strassenbau inkl. Velowege mit Verkehrssteuer, Benzinabgaben usw. Mit den Beiträgen der Velofahrer könnte man höchstens ein Seitensträsschen finanzieren.» Oder: «Wir als Autofahrer zahlen auch mehr Strassensteuern, also ist es für mich mehr als logisch, dass die Autofahrer mehr Platz bekommen.»

Wir stellen fest: Unter manchen Autofahrern sind die Kenntnisse des helvetischen Steuersystems mangelhaft. Offenbar soll, wer zahlt, auch befehlen dürfen. Richtig ist dagegen: Velofahrer bezahlen seit jeher für die Autofahrer solidarisch mit. Umgekehrt ebenfalls.

«Reiner Egoismus» – aber von wem?

In der Stadt Zürich, wo am 27. September über eine vergleichbare Volksinitiative abgestimmt wird (dort geht es um 50 Kilometer in zehn Jahren), spricht ein SVP-Gemeinderat von «Verdrängen des privaten und gewerblichen Individualverkehrs». Die Initiative bewirke das Gegenteil, der Autoverkehr nehme zu, erklärt er im «Tages-Anzeiger». Die Lenker würden zu Umwegen gezwungen, die Fussgänger kämen zu kurz. Diese «Exklusivität zugunsten der Velolobby» sei «reiner Egoismus der links-grünen Seite».

Mmh? Wird das Strassennetz hierzulande nicht seit Jahrzehnten ziemlich exklusiv auf das vierrädrige Vorwärtskommen ausgerichtet?

Ende Juli forderte Pro Velo die SBB auf, die Kapazitäten fürs Velo in den Zügen zu erhöhen und nicht den Zugang zu erschweren. Die Bahn solle kurzfristig mit Zusatzwagen oder -zügen auf die erhöhte Nachfrage reagieren.

Velofahrer sollen gefälligst selber fahren und ihren Göppel nicht in den Zug stellen.

Leserkommentar im «Tages-Anzeiger»

In der Kommentarspalte des «Tages-Anzeigers» hielten die Velocipedisten nach Kräften gegen die Missgünstigen. Welche zum Beispiel finden:  

«Velofahrer sollen gefälligst selber fahren und ihren Göppel nicht in den Zug stellen. Sie bezahlen viel zu wenig für den gebrauchten Platz.» Oder: «Die Velofahrer ärgern sich über so vieles. Sehr unzufriedene Zeitgenossen.» Und weiter: «Schweisst doch ein paar Haltebügel aussen an die Waggons, dann können die Velofreaks ihren Drahtesel aussen anhängen. Bei den Sesselliften geht das doch wunderbar.»

Gute Idee. Die Bügel müssten aber bei den Erstklass-Abteilen montiert werden.

Am 12. August schickte der Bundesrat ein Revisionspaket zum Strassenverkehrsrecht in die Vernehmlassung. Unter anderem will er die Sicherheit von E-Bike-Fahrerinnen und Fahrern erhöhen und schlägt ein Helmobligatorium für Fahrende auch langsamer Elektrovelos vor. Pro Velo lehnt dies ab: Fast drei Viertel der Stimmbevölkerung habe vor zwei Jahren den Bundesbeschluss Velo angenommen. Jetzt wolle der Bundesrat die Erfolgsgeschichte der Elektrovelos abwürgen», sagt Pro-Velo-Präsident Matthias Aebischer. Auf dem Portal infosperber.ch bringt es Autor Felix Schindler auf den Punkt: Die Massnahmen des Bundesrats offenbarten «einen Missstand, der in der Schweizer Verkehrspolitik sehr verbreitet ist: den blinden Fleck über der Hauptursache. Die Massnahmen klammern die wichtigste Ursache für tödliche und schwere Unfälle aus: das Auto.»

Nebenbei: Im selben Paket enthalten ist die Absicht, Tempobolzer künftig sanfter anzufassen. Zitat aus dem Begleitschreiben: «Bei Raserdelikten sollen die Vollzugsbehörden und Gerichte mehr Ermessensspielraum erhalten, um die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und unnötige Härten zu vermeiden. Dazu soll der Automatismus aufgehoben werden, wonach der Rasertatbestand immer als erfüllt gilt, wenn eine der im Gesetz festgelegten Geschwindigkeitsüberschreitungen vorliegt. Zudem soll auf die Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr verzichtet und die Mindestdauer des Führerausweisentzugs von 24 auf 6 Monate gesenkt werden.»

Unter solchen Umständen müsste die Helmpflicht eigentlich aufs Dreirad ausgeweitet werden.

Billigeres Benzin

Am 18. August beschloss die nationalrätliche Wirtschaftskommission (WAK), Benzin und Diesel sollten billiger werden. Bei der Mehrwertsteuer sollten die staatlichen Abgaben und Zuschläge nicht mehr besteuert werden. Dies würde um die sieben Rappen pro Liter ausmachen.

Der Entscheid fiel knapp aus: 12 zu 12 Stimmen bei 1 Enthaltung und Stichentscheid des Präsidenten. Sollte das Parlament der Kommission folgen, wollen die Grünen das Referendum ergreifen. Meine Unterschrift hätten sie auf sicher.

Zurück in die Niederungen der Lokalpolitik. Kommende Woche tagt in meiner Nachbargemeinde Eschenbach zum zweiten Mal die von Kanton und Gemeinde eingesetzte «Begleitgruppe» für die «Zweckmässigkeitsbeurteilung» einer Umfahrung. Dass eine solche zweckmässig wäre, in welcher Form auch immer, steht offenbar so gut wie fest. Jedenfalls wurden schon an der ersten Sitzung im Juni die Untergruppen aufgefordert, mögliche Linienführungen aufzuzeichnen.

Ich weiss, ich lebe in gesegnetem Umständen: Ich wohne in Bahnhofnähe, finde alles im Dorf vor, brauche kein Auto, bin gesund. Gleichwohl: Es gibt schon lange auch für Eschenbach eine Umfahrung. Die Route führt durchs Grüne und auf kleinen Strassen mitten in die Stadt. Um die zwölf Kilometer sind es von Eschenbach nach Luzern.

Staufrei.

Stiege nur ein kleiner Teil der Verkehrsverstopften aufs (Elektro-)Velo um, wäre (auch) Eschenbach sein Verkehrsproblem los.

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